The Mothers of Invention

Am 27. Juni 1966 erschien von den Mothers of Invention nicht nur die mit der ersten Do-LP der Musikgeschichte sondern auch das erste Konzeptalbum. Und damit ein Jahr vor dem völlig überschätzten Album der Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band.

 

Dem zum Zeitpunkt seines Erscheinens noch jungen Genre der Rockmusik gab Freak Out! wichtige Impulse. Das Album griff mehrere, damals gängige Spielmuster wie Beat, Rhythm and Blues, Doo Wop oder Rock ’n’ Roll auf. Zappa stellte diese nicht einfach nebeneinander, sondern er verband diese zu einer sich dramaturgisch entwickelnden Einheit. Frank Zappa, der alle Stücke geschrieben hat, ließ es dabei nicht bewenden – er erweiterte die musikalische Formenpalette des Rock erheblich. Hörgewohnheiten brach er auf, indem er eingängige Songstrukturen durch dazwischen geschnittene Wortfetzen oder andere Klangeskapaden unterbrach.

Dieses Prinzip der Montage und Collage kontrastierender Elemente, das für seine Arbeit in den folgenden Jahrzehnten typisch war, trieb er bei den letzten drei Stücken des Albums regelrecht auf die Spitze. Das Stück „Help, I’m a Rock“ entwickelt sich über einem von Gitarre und Bass gespielten Riff, das nach und nach in zunehmendem Maße von immer neuen Sprach- und Klangfetzen – darunter auch ein Zitat von „Who Are The Brain Police?“, dem dritten Stück des Albums – überlagert wird, bis das Stück am Ende abrupt abbricht. Das möglicherweise aus diesem Grund auf einigen Albumcovers nicht gesondert aufgeführte Stück „It Can’t Happen Here“ beginnt mit einer auf die Klangeffekte verschiedener Vokale oder Vokalgruppen zielenden Lautmalerei, bis ein vom klassisch besetzten Orchester gespielter Cluster das Ganze unterbricht. Nun folgt eine atonale Passage mit Schlagzeug und zwei Pianos, bis am Ende alles in die Klangmalereien vom Beginn des Stückes mündet. „The Return of the Son of Monster Magnet“ beginnt mit einem durchgängigen Schlagzeuggroove, bei dem sich Summen, Singen, Synthesizerklänge, Soundcollagen verschiedener Instrumente und Stereoeffekte zunächst immer mehr verdichten. Schließlich verändern sich die rhythmischen Muster, auch das Tempo zieht an. Nur kurz wird der R&B-Klassiker Louie Louie zitiert, dann werden vorher gespielte Motive elektronisch verfremdet aufgegriffen. All das mündet in die mehrfach vom Chor gerufene Textzeile „America is wonderful, wonderful, wonderful“, die von sich überlagernden Tonspuren über rückwärts abgespielten Passagen bis hin zu rhythmischen Variationen von Sprache und Piano zum Finale führen.

Für die Mitte der 1960er Jahre ebenfalls noch ungewohnt waren die in manchen Texten behandelten Themen und die Unverblümtheit, mit der diese angesprochen wurden. Schon der Eröffnungssong des Albums, „Hungry Freaks, Daddy“, machte die neue Gangart klar. Zappa rechnete ab mit „Mr. America“, an dessen Schulen man nichts lernen konnte, und der sich begnügte mit seinem „supermarket dream“ und seinem Schnapsladen-Heiligtum („liquore store supreme“). Eines der vom Text herausragenden Stücke des Albums ist „Trouble Every Day“. In diesem kritischen Politsong brandmarkte Zappa die Rassenunruhen in Watts, einem Stadtteil von Los Angeles. Sie begannen am 11. August 1965, dauerten sechs Tage und hatten am Ende 34 Menschen das Leben gekostet. Zappa war empört, wie von den Fernsehstationen live über das Ereignis berichtet und wie es von Nachrichtensendungen kommerzialisiert wurde. Ihn erzürnten „all the unconfirmed reports“ (all die unbestätigten Meldungen) und die marktschreierische Gier der Sender, die Meldungen möglichst als erste in den Äther zu schicken („They say that no one gets it faster“) – für Zappa schlicht eine Verdummung der Massen („mass stupidity“). Die Zeile „I ain’t black, but there’s a whole lot of times I wish I could say I’m not white“ (Ich bin nicht schwarz, aber sehr oft wünschte ich sagen zu können ich bin nicht weiß) zeigt Zappas Sympathie für das schwarze Streben nach Befreiung. „Trouble Every Day“ ist der erfolgreichste Song der 60er Jahre, der die Situation der Schwarzen in den Vereinigten Staaten beschreibt. Als Form des Textvortrages wählte Zappa den Sprechgesang, für seinen Biographen „möglicherweise der erste Rap-Song auf Schallplatte“. Auch „It Can’t Happen Here“ zählt für Barry Miles zu „Zappas wichtigsten Texten“. Darin geht es um die damals gerade aufkeimende Hippiebewegung. Die mehrmals mit jeweils unterschiedlicher Ortsangabe gestellte Frage „Who could imagine that they would freak out somewhere in …“ (Wer kann sich vorstellen, dass sie ausflippen in …) beantwortete Zappa nicht nur mit dem Satz „it can’t happen here“ (hier kann’s nicht passieren), sondern er sagte auch gleich voraus: „It won’t happen here“ (Hier wird’s nicht passieren).

 

 

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Freak Out!, Frank Zappa and the Mothers of Invention, 1966. Nun erhältlich auf CD, was den Genuss mit sich bringt, dass man dieses Konzeptalbum in einem Rutsch durchhören kann!

Weiterführend Dieses Konzeptalbum, besitzt einen Stellenwert für den Pop-Musik der 1960-er Jahre, der nur vergleichbar ist mit dem Rang, den das Beach Boys Album Smile für den Pop besitzt Der Musikkritiker Ben Watson bezeichnet „Zappas Mothers of Invention“ als „politisch wirksamste musikalische Kraft seit Bertolt Brecht und Kurt Weill“ wegen deren radikalem, aktuellen Bezug auf die negativen Aspekte der Massengesellschaft. So besehen war Frank Zappa neben Carla Bley einer der bedeutendsten und prägendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.