Die Jeannie Ebner war eine Dame. Und sie war eine sehr schöne Frau, vor allem in jungen Jahren. Da verkehrte sie im legendären „Strohkoffer“, einem Künstlertreff, vor allem der Maler und Bildhauer. Sie hatte ja selbst Bildhauerei studiert und zählte sich zuerst auch zu den bildenden Künstlern. Erst etwas später verschrieb sie sich ganz der Literatur. Sie war hochgebildet, stets von einer Aura der Würde umgeben, obwohl sie auch heiter und locker sein konnte; frivol war sie – trotz ihrer vielen Abenteuer (wie sie mir einmal in einem Vertrauensgespräch bekannt hatte) – nie. Nein, ihr lag vielmehr das Einfache, das ihr – auch literarisch – viel bedeutete; im wahrsten Sinn des Wortes. Ich erinnere mich an unser gemeinsames Leberblümchen-Pflücken im Frühling beim Stift Heiligenkreuz, in späteren Jahren, nicht lange nachdem ihr geliebter „Ernstl“ verstorben war. Eigentlich hieß die Jeannie mit bürgerlichem Namen nach ihrer Heirat mit dem Ernstl ja Allinger. Den Künstlernamen Ebner hatte sie in Anlehnung an ihren Onkel, den österreichischen Philosophen Ferdinand Ebner, angenommen. Die Jeannie Ebner betrieb während des Krieges in Wiener Neustadt ein von der Familie ererbtes Transportunternehmen. Als dieses zusammenbrach, studierte sie in Wien Bildhauerei, hielt sich mit Übersetzungen über Wasser, bis sie sich eben der Literatur zuwandte und Romane und Lyrik schrieb. Lange Zeit war sie auch Redakteurin der Literaturzeitschrift „Wort in der Zeit“ tätig. Zuhause, in einer kleinen alten Gemeindewohnung am Mittersteig im fünften Bezirk, die mit Büchern vollgerammelt war, lebte sie mit ihrem Mann, der Chemiker war. Beide tschickten sie, was das Zeug hält; die Jeannie immer „Austria drei“, die stärkste und billigste Zigarette, natürlich filterlos, ein „Barabertschick“. Kochen lag ihr nicht, sagte sie mir einmal – „Aber ich muß es tun, der Ernstl braucht doch schließlich was zum Essen“. Sie selber war mehr als genügsam. Am Achterl Wein nippte sie – ich möchte fast sagen: stundenlang. Dazwischen rauchte sie Unmengen Zigaretten, oft auch mit einem Zigarettenspitz. Die Jeannie hat, wie sie mir einmal mitteilte, viele Jahre hindurch ihre vom Schlaganfall gelähmte Mutter gepflegt. Das stand ganz im Gegensatz zu ihrer zierlichen Erscheinung. Gekleidet und gepflegt war sie immer tipptopp. Meine Lebensgefährtin Susanne liebte sie ganz besonders. „Sei froh, daß du sie hast“, sagte Jeannie immer wieder zu mir, „die schaut auf dich!“ Ihre Gedichte mag ich. Sie sind trotz der oft großen Themen von einer solchen Einfachheit und Schlichtheit, daß sie mich berühren und mein Innerstes erreichen. Dafür und für die Begegnung mit ihr überhaupt bin ich sehr dankbar.
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Schriftstellerbegegnungen 1960-2010 von Peter Paul Wiplinger, Kitab-Verlag, Klagenfurt, 2010