Amaryll

 

Versehen mit einer wunderbaren Akustik steht auf einem Plateau zwischen Haarstrang und Möhnetal, nahe der Möhnetalsperre, die romanische Kapelle Drüggelte.

Drueggelter Kapelle, Photo: Asio

Der Studioarbeit von Weigoni und Michaelis liegen umfangreiche poetische Performances zugrunde, die u.a. mit dem Life-Mitschnitt Amaryll dokumentiert sind. Als zwölfeckiger Zentralbau wurde die romanische Kapelle Drüggelte vermutlich in der Mitte des 12. Jahrhunderts erbaut. Von außen wirkt das „Kirchlein“ recht unauffällig: Ein polygonaler Zentralbau mit zwei sichtbaren Anbauten (Vorhalle und Apsis), abgeschlossen von einem schiefergedeckten Dach, bekrönt von einem kleinen Glockentürmchen. Beim Betreten der Kapelle wird die Besonderheit des Bauwerks sichtbar. Insgesamt 16 in zwei Ringen angeordnete Säulen tragen die Decke des nur etwa 11 m im Durchmesser messenden zwölfeckigen Raumes. Der äußere Säulenkranz besteht aus 12 Säulen. Auf schmalen Pilaster und ebendiesen Säulen ruht ein Kreuzgewölbe. Der innere Kranz besteht aus zwei Säulen und zwei deutlich dickeren, gemauerten Pfeilern. Zwischen dem ersten und dem zweiten Säulenkranz ist ein Tonnengewölbe gespannt, in das die Stichkappen des Kreuzgewölbes einschneiden. Die vier Innensäulen tragen ein kleines Kuppelgewölbe, in dem eine Klappe den Zugang zum Dachboden bildet. Der Klang der Kapelle gab der Rezitation einen Nachhall, den Weigoni durch ironische Brechungen vor dem weihevollen bewahrt.

Bei der Jürgen-Diehl-Hommage auf Drüggelte ging es am 24. April 2004 um die Wahrhaftigkeit des Wortes. Die Arbeiten, die zum Vortrag gelangen, sind tonale Kompositionen mit sprachlichen Mitteln. Die Artisten vermögen es, poetische Performances zu Ereignissen zu machen, weil sie den richtigen Rhythmus und die angemessene Melodie finden. Unangestrengt schaffen sie geflüsterte, gesprochene Sprachkunstwerke. Das Mondäne vereinigt sich mit dem Musikalischen, der Intellekt mit dem Sinnlichen. Die Artisten lassen mit Lust an der gesprochenen Sprache, an der Schönheit von Worten Tonfall, Melodie und Rhythmus hören.

Die „Jürgen-Diehl-Hommage auf Drüggelte ist ein Platz für den artistischen Bau autarker Sprachkonstrukte ausserhalb der alltäglichen Rede und normierter Sprachregularien. Dieses Freigelassene, Strömende entsteht durch Präzision, Klarheit und Konzentration. Die Arbeiten oszillieren zwischen dem lyrischen Protestgedicht und dem politischen Liebesgedicht. Einst waren Interpreten Barden, Schamanen, Seher, Troubadoure, waren Reisende in Sachen Liebe und Moral …- im digitalen Zeitalter geht der Schrift der Sinn, und damit die Sinnlichkeit, immer mehr verloren; so scheint es jedenfalls. Diese Veranstaltung soll daran erinnern, was Poesie ursprünglich war: Gesang, Melodie und Rhythmus, Reim und Versmass, Litanei und Mythos.

 

 

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Erschienen ist die Rezitation auf dem Hörbuch Amaryll.

Hommage an Jürgen Diehl

Die Aufnahme ist in HiFi-Stereo-Qualität erhältlich über: info@tonstudio-an-der-ruhr.de

Weiterführend → Lesen Sie auch den Nachruf über Peter Meilchens Lebenswerk und den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im Kunstverein Linz und den Essay zum Buch / Katalog-Projekt 630.