In der christlichen Ikonografie wird das Lamm Gottes häufig als Symbol für Christus verwendet. Oft wird es mit der Siegesfahne (rotes Kreuz auf weißem Grund) als Attribut dargestellt, um den Sieg Christi über den Tod und damit seine Auferstehung zu versinnbildlichen.
Durchgeknallt over the Top, so lässt sich das Konzeptabum von Genesis mit einer Tagline zusammenfassen. Es ist das letzte Album mit von Peter Gabriel mit Genesis. Danach trennte man sich, wie es in den Verlautbarungen heißt: kreative Differenzen.
Die Handlung lässt sich in einer surrealen Kurzgeschichte zusammenfassen, die Antonin Artaud durchaus auch hätte einfallen können. Der Protagonist Rael kommt am frühen Morgen aus einem New Yorker U-Bahn-Tunnel und versteckt seine Spraydose, mit der er Graffiti gesprüht hat. Als er die Straße entlanggeht, sieht er ein Lamm, das sich auf dem Broadway niederlegt (The Lamb Lies Down On Broadway). Eine dunkle Wolke legt sich über den Times Square und Rael wird von Staub eingeschlossen. Er sieht eine Militärparade und verliert das Bewusstsein (Broadway Melody von 1974). Als er wieder zu sich kommt, findet er sich eingesponnen in einem Kokon (Cuckoo Cocoon). Rasch bilden Tropfsteine einen Käfig um Rael, der seinen Bruder John entdeckt. Er bittet ihn um Hilfe, aber John sieht ihn nur wortlos an (In The Cage). Der Käfig beginnt sich zu drehen, so dass Rael John wieder aus den Augen verliert. Der Protagonist beobachtete die „Große Parade der leblosen Hüllen“.
Rael erinnert sich an sein altes Leben in New York City (Back In N.Y.C.). Er erzählt von dem missratenen Versuch, durch einen Ratgeber zum perfekten Liebhaber zu werden (Counting Out Time). Dann kommt Rael zu einem langen Korridor und sieht Menschen, die über einen Teppich zu einem Ausgang kriechen (The Carpet Crawlers). Durch den Ausgang gelangt Rael in eine Kammer, in der es 32 Türen gibt, von denen nur eine ins Freie führt (The Chamber of 32 Doors).
Eine blinde Frau führt ihn in einen neuen Raum (Lilywhite Lilith) und bittet ihn hier zu warten. Er erlebt Todesangst (The Waiting Room). Rael hat sich mit seinem Tod abgefunden (Anyway) und der Tod kommt vorbei (Here Comes The Supernatural Anaesthetist). Rael entkommt und gelangt an einen Teich mit rosafarbenem Wasser, an dem er mit mehreren Lamien eine erotische Erfahrung erlebt (The Lamia). Am Ende sind die Lamien gestorben.
Rael findet sich in der Kolonie der Glibbermänner wieder. Der einzige Ausweg ist der Doktor, der per Kastration die Libido unterbindet; Rael entscheidet sich dafür. Das Ergebnis wird in einem Plastikbehälter ausgehändigt, den aber gleich ein Rabe stiehlt. Rael bittet seinen Bruder wieder um Hilfe und wird erneut enttäuscht (The Colony of Slippermen – The Arrival – A Visit to the Doktor – Raven). Rael verfolgte den Raben in einer Schlucht. Durch ein Tor erscheint ihm sein altes Leben am Broadway, aber gleichzeitig hört er die Hilferufe seines ertrinkenden Bruders John, der in den Stromschnellen um sein Leben kämpft. Sofort entscheidet er sich für die Rettung von John und damit gegen den Ausweg in seinem alten Leben (The Light Dies Down on Broadway). Er kämpft sich eine Böschung voller Geröll hinunter zum Fluss (Riding the Scree). Er rettet John unter Einsatz seines Lebens, als er erkennt, dass John plötzlich sein Gesicht hat (In the Rapids).
Das Konzeptabum „The Lamb Lies Down on Broadway“ ist ein Meisterwerk des Trash, drei Jahre nach Fertigstellung wurde diese Art von Prog-Rock vom Punk in die Themse gespült. Sollte man das bedauern? Eher nicht! Solche überambitionierten Vorhaben sind das, was Pop heute abgeht.
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The Lamb Lies Down on Broadway, Genesis, 1974
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In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp.