Reiseschreibmaschine

 

Eine Regung riss ihn aus dem fast chromatischen Schlaf, fassbarer Träume Inhalt entleerte sich, als hätte jemand auf Löschen gedrückt. Inzwischen war es Morgen geworden, ein Bleistiftstummel hatte sich malerisch in seine linke Wange gedrückt, blieb dort eine kurze Zeit haften um kurz darauf zu Tisch zu fallen, eine graue kurze Spur zu ziehen. Nur kurzes Sinnen ließ ihn gewahr werden, dass nun die Probleme noch anstehen würden. Nun müsste er ja beginnen die Formulierungen zu erschließen, die Dialoge und Monologe, all die Beschreibungen und seltenen Kommentare, die essayistischen Anwandlungen und rhetorisch überdachten Formulierungen, die lyrischen Einschübe und epischen Konglomerate, er müsste die Haupt- und Nebenhandlungen entwickeln, Rahmen bauen und den Leser auf Irrwege durch sein Gedankenlabyrinth führen, wobei eben in diesen keine Irrwege möglich sein würden. Er würde um die Wörter ringen müssen, welche sich schon so lange in seinen Windungen von der einen Krümmung zur nächsten schlichen, zu verarbeiten und zu Rechner zu bringen. Der Rechner würde keine Vorhaltungen machen, dieses kalte und ewig surrende Teil, dessen Inhalt nie so recht offen zu legen war.

Herr Nipp wünschte sich manchmal eine alte Schreibmaschine zurück, wohl wissend, dass er diese niemals wieder würde benutzen können, wohl ahnend, dass eine Reiseschreibmaschine seit Jahren unten im Keller stand, immerzu bereit, denn die alten Farbbänder würden niemals eintrocknen.

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, KUNO 1994 – 2019

Die unerhörten Geschichten von Herrn Nipp sind glossierende Anmerkungen die sich schnoddrig mit dem Zeitgeist auseinandersetzen. Oft wird in diesen Kolportagen ein Konflikt zwischen Ordnung und Chaos beschrieben. Wir lesen sowohl überraschendes und unerwartetes, potentiell ungewöhnliches, das Geschehen verweist auf einen sich real ereigneten (oder wenigstens möglichen) Ursprung des Erzählten.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421