Der Kobold

 

Das Werk der Isländerin lässt sich als Gesamtkunstwerk betrachten, eine Collage, in der verschiedene Künste wie Musik, Dichtung, Tanz, Pantomime und Malerei vereint sind; jene Künste, die man einst die schönen nannte. Dabei ist die Zusammenstellung bei Björk nicht beliebig und illustrativ: die Bestandteile ergänzen sich fast organisch.

Man kann die Karriere von Björk als Stationendrama erzählen, bei der alle Veröffentlichungen brav abgeklappert werden und selbst obskure Nebenwerke wie das Jazz-Album Gling-Gló nicht unerwähnt bleiben, um die beachtliche Spannbreite der Künstlerin abzudecken und sich als Auskenner erkennen zu gaben. Man kann sich aber auch auf ein Album konzentrieren, dass alle bisherigen zusammenfasst und alle zukünftigen vorwegnimmt.

Ein solches Album ist „Medulla“ ein A capella-Album aus dem Jahr 2004. Zur Seite stehen Frau Guðmundsdóttir diverse Vokal-Artisten wie Rahzel, die ‚human beatbox‘ von The Roots, die Kopfstimmenspezialistin Tanya Tagaq oder der frühere Faith No More-Frontman Mike Patton und „Submarine“ ist ein Duett mit Robert Wyatt. Dieses Album ist das Ergebnis konzentrierter Bemühungen im Gebiet der Kehlkopfakrobatik, dazugesellt haben sich Besten und Klügsten, die Björk zusammenbringen konnte, im Geiste ihres Paten Miles Davis verrät dieses Album ihr Talent, das Talent anderer Artisten optimal zu nutzen.

In ihrer kulturellen Rolle als Künstlerin, sieht sich der isländische Kobold als  spirituelle Alchemistin und Vermittlerin von interessanten musikalischen Konzepte. Es ist eine Collage aus Seufzern, Flüstern und Schreien, zuweilen eine Collage aus Seufzern, Flüstern und Schreien. Zerschnittene Beats treffen auf klagenden Chorstimmen. Maschinengewehrpräzise perkussive Schläge, treffen zuweilen hart auf das Trommelfell. „Medulla“ ist eine Erkundung des Stimmgeräts und Anstrengung, die man sich zumuten muss, dafür wird man jedoch belohnt mit der menschlichen Stimme als größten Spezialeffekt, den nicht nur Björk zu bieten hat.

 

 

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Medulla, Björk, 2004

Weiterführend  Seit 1991 die Lieblingsband der Redaktion: Mona Lisa Overdrive. Mit etwas Verspätung erschien Pia Lunds zweites Solo-Album Gift. Eine Wiederveröffentlichung der Neu!-Studioalben ist auf dem Label Grönland erschienen. in 1999 ging KUNO der Frage Label oder available? nach. Erweiternd zum Medium der Compact Disc auch das Vertellstücksker: Die Erde ist keine Scheibe.