Gedicht aus Norwegen für Helma

 

In einem Garten blühen Lilien.
Sie blühen munter, und sie schilien
Zum Nachbargarten, ob die rote Nelke,
Die ihnen wohlgefällt, auch nicht verwelke.
Die rote Nelke nelkte mild zurück.
Der Lilien Schielien war ihr ganzes Glück.
So schiele ich, mein liebes Weib, Dir zu,
Dein mildes Nelken gibt mir Mut und Ruh.
Oh, nelke weiter, bis der Tag gekommen,
Daß ich Dich endlich in den Arm genommen.

 

 

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Quelle: An Anna Blume, von Kurt Schwitters, erscheinen 1919.

Anlässlich der Reichtagswahl hat der Raumkünstler, Dichter, und im Brotberuf Werbegraphiker, Kurt Schwitters Anzeigen in Zeitungen geschaltet. Sein Slogan: „Wählt Anna Blume!“ Und er hat in Hannover Plakate mit den Zehn Geboten anbringen lassen – und dann sein Anna-Blume-Gedicht daneben geklebt.

In der Weimarer Republik wird Schwitters‘ Gedicht viel diskutiert, gelobt, veralbert. Und das Werbe-Genie Schwitters wittert seine Chance: Er baut Anna Blume zur Marke auf. Er klebt ihren Namen in seine Collagen und benennt weitere Texte nach ihr.

Unter dem Kennwort Merz hat er ein „Gesamtweltbild“ entwickelt. Daher nimmt es nicht wunder, daß auf seinem Grabstein steht, er sei der Vater von Anna Blume.

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.

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