Auf der Auer Dult

 

Zwischen lauter bunten Dingen,

Trödlerkram und Putz und Tand,

Tempelleuchtern, Ketten, Ringen,

Humpen und Toleder Klingen

träumt ein grauer Bücherstand.

 

Nun, er ist nicht überlaufen!

Nur ein bleicher junger Mann

wühlt in dem verstaubten Haufen,

um für wenig Geld zu kaufen,

was er nachts verschlingen kann.

 

Doch sieh da! Wie viel Kollegen

von der gleichen Fakultät,

deren Ruhm gewohnheitswegen

stets wir zu verkünden pflegen,

find‘ ich in dem Bücherbeet.

 

– Dein gedenk ich, Wilhelm Raabe!

Mancher Schelm und mancher Lump,

doch auch mancher feine Knabe,

manche goldne Dichtergabe

fault hier auf dem „Schüdderump“.

 

 

 

Margarete Beutler war Mitglied der künstlerisch-literarischen Vereinigung »Die Kommenden«, zu der auch Else Lasker-Schüler, Hans Ostwald und Ernst von Wolzogen gehörten. 1902 veröffentlichte Beutler nach Beiträgen in Zeitschriften wie dem »Simplicissimus« ihren ersten Gedichtband und zog von Berlin nach München. Dort trat sie vermutlich beim Kabarett »Die Elf Scharfrichter« auf, arbeitete als Redakteurin der Zeitschrift »Jugend« und war als Übersetzerin tätig. 1908 erschien, protegiert von Christian Morgenstern, ein zweiter Band Neue Gedichte und 1911 der dritte mit dem Titel Leb wohl, Bohème. Ab 1925 lebte Beutler im selbst erworbenen kleinen Blockhaus in Seeheim am Starnberger See unter ärmlichen Verhältnissen.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten lehnte sie den Beitritt in die Reichsschrifttumskammer ab und verzichtete somit auf weitere Veröffentlichungen.

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.