Was nur das Leben fasst an Allgewalten –
Durch Dich allein ergriff es mein Gemüt,
Zugleich in Leidenschaft und Händefalten,
Hab ich in Dir vor Gott gekniet.
Durch Dich allein auch ist die tiefste Wunde
Auf immer meinem Leben eingebrannt,
Da ich, in vergeßlich dunkler Stunde,
Im Gott das Menschenbild erkannt.
Hab Dank für alles, was Du mir gegeben!
Das Höchst‘ und Tiefste, das wir Menschen haben –
Durch Dich ward’s mein in schweigendem Erleben:
Den Gott zu schau’n – und zu begraben.
Lou Andreas-Salomés oft gerühmte persönliche Ausstrahlung, ihre Bildung und intellektuelle Beweglichkeit, die Freundschaft mit namhaften Zeitgenossen und ihre unkonventionelle Lebensführung sicherten ihr einen Platz in der deutschen Kulturgeschichte. Ihr Leben war und ist Gegenstand von Biographien, Romanliteratur, Musiktheater (der Oper Lou Salomé von Giuseppe Sinopoli (Libretto: Karl Dietrich Gräwe) zum Beispiel, die 1981 in München uraufgeführt wurde) und anderen Texten, in denen ihre Kontakte zu Berühmtheiten der Literatur- und Wissenschaftsgeschichte erörtert werden.
Verglichen damit fand ihr eigenes schriftstellerisches Werk seither wenig Beachtung – es verschwand hinter der außergewöhnlichen Geschichte ihres Lebens, dem will KUNO abhelfen. Als renommierte Autorin hatte sie an der Entwicklung der Positionen der Moderne um 1900 lebhaft mitgewirkt. In Romanen, Erzählungen, Essays, Theaterkritiken, zahlreichen Texten über Philosophie und Psychoanalyse, einem weitläufigen Briefwechsel beteiligte sie sich an den Diskussionen über grundlegende Fragen der Zeit.
Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.