Sieben Gedichte II

 

Du hast mir, Sommer, der du plötzlich bist,

zum jähen Baum den Samen aufgezogen.

(innen Geräumige, fühl in dir den Bogen

der Nacht, in der er mündig ist.)

Nun hob er sich und wächst zum Firmament,

ein Spiegelbild das neben Bäumen steht.

O stürz ihn, daß er, umgedreht

in deinen Schoß, den Gegen-Himmel kennt,

in den er wirklich bäumt und ragt.

Gewagte Landschaft, wie sie Seherinnen

in Kugeln schauen. Jenes Innen

in das das Draußensein der Sterne jagt.

[Dort tagt der Tod, der draußen nächtig scheint.

Und dort sind alle, welche waren,

mit allen Künftigen vereint

Und Scharen scharen sich um Scharen

wie es der Engel meint.]

 

 

 

Mit seiner in den Neuen Gedichten vollendeten, von der bildenden Kunst beeinflussten Dinglyrik gilt Rainer Maria Rilke. als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne.

Weiterführend → Lesen Sie auch den Essay von Rainer Maria Rilke auf KUNO über Moderne Lyrik.

 Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.