Ein echtes Gedicht

 

Ein echtes Gedicht zeichnet sich nicht so sehr durch einen glücklichen Ausdruck oder durch die Gedanken aus, die es anregt, als vielmehr durch die Atmosphäre, von der es umflutet ist. Die meisten Dichtungen haben bloß schöne Umrißlinien und die auffallende Gestalt und Haltung eines Fremden. Aber echte Verse kommen ganz unmerklich auf uns zu, wie der Atem des lebendigen Wohlwollens, und hüllen uns in ihren Geist und Duft. Vieles in unserer Literatur hat die vorzüglichsten Manieren, aber keinen Charakter.

 

 

 

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Henry David Thoreau gilt als Schriftsteller auch in formaler Hinsicht als eine der markantesten Gestalten der klassischen amerikanischen Literatur. Eine Einführung in Leben und Werk von Gerhard Gutherz findet sich hier. Als sorgfältig feilender Stilist, als hervorragender Sprachkünstler hat er durch die für ihn charakteristische Essayform auf Generationen von Schriftstellern anregend gewirkt. Wir begreifen die Gattung des Essays auf KUNO als eine Versuchsanordnung, undogmatisch, subjektiv, experimentell, ergebnisoffen.

Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.