Dämmerung

 

Hell weckt Dunkel

Dunkel wehrt Schein

Der Raum zersprengt die Räume

Fetzen ertrinken in Einsamkeit!

Die Seele tanzt

Und

Schwingt und schwingt

Und

Bebt im Raum

Du!

Meine Glieder suchen sich

Meine Glieder kosen sich

Meine Glieder

Schwingen sinken sinken ertrinken

In

Unermeßlichkeit

Du!

 

Hell wehrt Dunkel

Dunkel frißt Schein!

Der Raum ertrinkt in Einsamkeit

Die Seele

Strudelt

Sträubet

Halt!

Meine Glieder

Wirbeln

In

Unermeßlichkeit

Du!

Hell ist Schein!

Einsamkeit schlürft!

Unermeßlichkeit strömt

Zerreißt

Mich

In

Du!

Du!

 

 

 

***

August Stramms Stil war überraschend und neu. Durch seine Knappheit, Härte und die weit vorangetriebenen Sprachexperimente heben sich Stramms Gedichte deutlich von denen anderer, früher Expressionisten wie beispielsweise Georg Heym und Theodor Däubler ab. Während letztere meist noch deutlich von der Neuromantik und dem Symbolismus beeinflusst sind, reißen Stramms Sprachmontagen den Horizont in die Moderne auf. Die zerhackten Rhythmen, die Satz- und Wortfetzen machen Stramms Gedichte zudem zu den überzeugendsten lyrischen Zeugnissen des Weltkriegs, umso mehr, da es kaum einem anderen Autor gelungen ist, das Grauen dieses ersten Maschinenkriegs in einer dieser ganz neuen Erfahrung angemessenen Form zu verarbeiten.

Schon mit den ersten Veröffentlichungen im Sturm nahmen junge Autoren Stramms Stil auf, darunter Kurt Heynicke, Walter Mehring und Kurt Schwitters. Auch auf die expressionistische Prosa von beispielsweise Alfred Döblin hatte Stramms Sprachduktus Einfluss. Zu späteren Stramm-Anhängern gehören u. a. Arno Schmidt, dessen frühe Prosa (1946–1956) auch stilistisch von Stramms Lyrik beeinflusst ist, Gerhard Rühm, Ernst Jandl und der Stamm-Adept Thomas Kling.

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.