Die steine die in meiner strasse staken
Verschwanden alle in dem weichen schoss
Der in der ferne bis zum himmel schwillt ·
Die flocken weben noch am bleichen laken
Und treibt an meine wimper sie ein stoss
So zittert sie wie wenn die träne quillt ..
Zu sternen schau ich führerlos hinan ·
Sie lassen mich mit grauser nacht allein.
Ich möchte langsam auf dem weissen plan
Mir selber unbewusst gebettet sein.
Doch wenn die wirbel mich zum abgrund trügen ·
Ihr todeswinde mich gelinde träft:
Ich suchte noch einmal nach tor und dach.
Wie leicht dass hinter jenen höhenzügen
Verborgen eine junge hoffnung schläft!
Beim ersten lauen hauche wird sie wach.
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Das Jahr der Seele, Gedichte von Stefan George, 1897
Das Jahr der Seele ist der Titel eines 1897 erschienenen zyklischen Gedichtbandes von Stefan George. Die Sammlung gilt als das bedeutendste Werk seiner ersten Schaffensperiode und als Versuch, die Naturpoesie unter den Bedingungen der Moderne zu erneuern. Die Sammlung beginnt mit einem Gedichtkreis von Jahreszeitversen, die dem Herbst (Nach der Lese), dem Winter (Waller im Schnee) und dem Sommer (Sieg des Sommers) zuzuordnen sind. Der mittlere Teil enthält die Überschriften und Widmungen, Verse, die teilweise älteren Datums sind und Begegnungen sowie poetische Erfahrungen festhalten. Es folgen die Erinnerungen an einige Abende innerer Geselligkeitund eine Gruppe von Spruchdichtungen, denen Monogramme über die Strophen gesetzt sind. Die Sammlung endet mit den 32 Gedichten der Traurigen Tänze, deren Aufbau mit je drei Strophen zu vier Zeilen an die Jahreszeitgedichte des Anfangs erinnert.
Weiterführend →
Zum 70. Todestag von Stefan George erinnert KUNO an ihn mit einer Studie über den Symbolisten, die Walter Benjamin angefertigt hat. Und außerdem, Hugo von Hofmannsthal über Gedichte.
→ Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.