Hallenbadheizung

 

Wenn Herr Nipp ins Hallenbad geht, und das macht er bekanntlich nur, wenn er äußerst inständig angebettelt wurde, bevorzugt er nicht die bequemen Liegen, die außerdem meist seit dem frühen Morgen mit Handtüchern reserviert sind, von Gästen, die sich dann den ganzen Tag im Restaurant aufhalten. Er setzt sich gerne auf die Steinstufen. Entlang der Fensterreihen fast aller Hallenbäder der Welt (Sie müssen nur groß und alt genug sein) sind solcherart Stufen gebaut, ungefähr 120 cm tief, dabei 45 cm hoch, sie sollen die Doppelfunktion haben, als Sitzgelegenheit zu dienen und außerdem verstecken sich in ihnen die Lüftungsschlitze der Hallenbadheizungen. Diese eingelassenen Gitter versorgen den Raum mit einem gleichmäßigen Strom warmer Luft. Zunächst, nachdem man nass aus dem Wasser kommt, scheint ein kühler Luftstrom nach oben zu steigen. Als Kind hatte er sich immer gefragt, warum die denn da kalte Luft aufsteigen lassen. Es wäre doch viel schöner, wenn die Halle warm ist, richtig warm, bis kurz vor Schwitzen. Irgendwann hatte dann sein Biologielehrer (Man staune, dass dies kein Physiklehrer war, die doch dafür bekannt sind, besonders lebensnahe Bereiche zu erklären, von Heizungsregulierung bis Stoßlüften.) ihm den Sachverhalt plausibel gemacht. Er hatte über die ach so lästige Funktion des Schwitzens referiert und erläutert, der Schweiß sei letztlich ein wichtiger Ausgleich zur Regulierung der Körpertemperatur. Der Schweiß selber stinke übrigens auch nicht, sondern die sich in der warmen Feuchtigkeit rasant schnell vermehrenden Bakterien verursachten dies. Letztes konnte Herr Nipp allerdings nicht bestätigen, es gab in seinem direkten Lebensumfeld von Freunden und Arbeit tatsächlich Menschen, bei denen der Geruch mit dem Öffnen der Poren direkt entwich. So schnell konnte sich auch das aktivste Bakterium nicht vermehren. Um den Wirkmechanismus zu veranschaulichen, hatte der nette Biolehrer damals eine warme Bierflasche mit einem warmen feuchten Tuch umwickelt und tatsächlich konnte bei der späteren Verkostung (ja, so etwas gab es damals noch im Unterricht) von den Schülern berichtet werden, das Bier sei kühl gewesen. Auch die Messung hatte ein signifikantes Absinken der Temperatur binnen weniger Minuten angezeigt. So also musste man sich auch das Hallenbadheizungsprinzip vorstellen. Zunächst war es spürbar kalt, die Trocknung (Verdunstung von Oberflächenfeuchtigkeit) kühlte die Haut, sobald sie getrocknet war, würde es warm werden.

Leider musste Herr Nipp an diesem Tag auf den letzten wohligen Effekt verzichten, die Heizung war ausgefallen.

 

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Das Mittelmaß der Welt, unerhörte Geschichten von Herrn Nipp, dokumentiert auf KUNO 1994 – 2019

Weiterführend → Zu einem begehrten Sammlerstück hat sich die Totholzausgabe von Herrn Nipps Die Angst perfekter Schwiegersöhne entwickelt. Außerdem belegt sein Taschenbuch Unerhörte Möglichkeiten, daß man keinen Falken mehr verzehren muss, um novellistisch tätig zu sein. Herr Nipp dampft die Gattung der Novelle konsequent zu Twitteratur ein. Und außerdem präsentiert Haimo Hieronymus die bibliophile Kostbarkeit Über Heblichkeiten, Floskeln und andere Ausrutscher aus den Notizbüchern des Herrn Nipp. Begleitendes zur Veröffentlichung des Buches Fatale Wirkungen, von Herrn Nipp (Mit Fotos von Stephanie Neuhaus). Über die historische Aufgabe von Herrn Nipp aus Möppelheim.

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.

Diese bibliophile Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421