Es war kurz vor Sommer in diesem Jahr 2006, als ich Bert Papenfuß fragte, ob ich wieder mal in seinem Kaffee Burger lesen könnte. Meine Performances in Berlin waren stets ne Belebung für viele, und Bert hätte mich gerne in sein Programm aufgenommen, aber ich kam kurz vor der Sommerpause, und so ging das nicht. Aber er fragte in seiner Stammkneipe an, die machen auch Lesungen, und so wurde schnell ein Termin ausgemacht. Der Wirt bat mich per Internet um ein paar Worte zu mir und meiner Arbeit, ich ließ mir damit etwas Zeit, und als ich ihm etwas schicken wollte, fand ich eine eMail von ihm vor, dass er die Lesung absagen müsse, weil ich, wie ihm zugetragen worden war, auch im Flaggschiff der Rechtsaußen-Intellektuellen-Szene, der „Jungen Freiheit“ publiziert habe und er als Betreiber einer linksradikalen Kneipe mich deswegen nicht auftreten lassen wolle. Ich fand das garnicht lustig, hatte aber keine Zeit, darauf einzugehen, da ich neben allerlei Wichtigem mich vor allem darum kümmern mußte, dass eine Bürgerinitiative im Einklang mit den Nazis nicht damit Erfolg hatte, den Neubau einer Moschee der islamischen Reformgemeinde, der ich angehöre, zu verhindern. Als Sprecher der Ahmadiyya Muslim Gemeinde war ich dann zwei Wochen vor Ort, bekam ekelhafte Demonstrationen mit und grelle und nicht so grelle Diskussionen, das war nervenaufreibend. Ich gab etliche Interviews, es ist nicht leicht, Vorurteile auszuräumen, zumal dann, wenn durch Lügenpropaganda bös Blut geschürt wird.
Dann erfuhr ich, dass im Internet in einer Art Lexikon ebenfalls verbreitet wird, dass ich als Autor für die „Junge Freiheit“ tätig gewesen sei, das ist natürlich schadenbringend, vor allem dann, wenn keiner fragt oder sich schlau macht und wissen will, was ich denn eigentlich geschrieben habe, und warum.
Nun ist es an der Zeit, um zu all dem Stellung zu nehmen. Zum einen: es kann keinen ernst zu nehmenden Menschen geben, der mir eine Neigung oder Sympathie zu Neonazismus oder Rassismus oder Faschismus und was dergleichen mehr ist, nachsagen kann. Meine Biographie ist klar. Leitung von Ostermarsch-Gruppen und Mitglied im Hessischen Ausschuss des Ostermarsch, Organisator und Akteur von Demonstrationen gegen den Krieg in Vietnam, Leiter des Programms des linken Club Voltaire’s, Apo-Veteran, Gründer des Hippie-Kommunikationszentrums „Heidi loves you Shop“ und der Band „Wa-wa-wa-wawas-ist-los“, Mitglied der Kommune I in Berlin, Veröffentlichungen von Gedichten in der Alternativszene, in „linken“ Verlagen, bislang über 100 Publikationen, zuletzt erschienen zwei Lyrik-Bände im Horlemann-Verlag, der vom einstigen SDS-Genossen und K-Parteien-Leiter Bernd Horlemann gegründet worden war. Und es gibt genügend Texte von mir in einschlägigen Zeitschriften, vom „Pflasterstrand“ bis zur „Brücke“ gegen rechte Aktionen und Tendenzen. Kann man denn wirklich denken, einer, der Opfer rechtsextremer Politik und rechter Publizisten war und von ihnen Publikationsverbot bekam, sich rechtsnational engagiert? Aber: heißt das, sich Denkverbot zu erteilen oder sich einen Maulkorb verpassen zu lassen von Leuten, die meinen, „mit denen spricht man nicht“? Wenn Dany Cohn-Bendit seinerzeit, als die NPD reüssierte, nicht nur forderte, mit den Neonazis zu sprechen, um verbogene Köpfe auf die Folgen menschenherabwürdigenden Denkens aufmerksam zu machen und ein Neuorientieren zu ermöglichen oder gar zu erreichen, sondern das dann auch persönlich in die Tat umsetzte, sich der Schelte gewisser Genossen wohl bewußt, und wenn er dennoch nicht in Verdacht geraten ist, sich zum Rechten gemausert zu haben, warum dann diese Ausgrenzung in meinem Falle, wo ich doch nichts anderes getan habe?
Wem ist denn geholfen, wenn man einen Dialog ablehnt, der einem geboten wird ? Warum soll ich nicht dort meine Meinung sagen dürfen, wo man sie hören will, indem man mich auffordert, Stellung zu beziehen, ob in der „Jungen Welt“, in der ich veröffentlicht habe, oder in „Bild“, der ich Interviews gab. Ich nehme dadurch in meinem Denken nicht die Färbung solcher Blätter an! Ich finde eine fanatische Konfrontationshaltung im Sinne von „mit denen spreche ich nicht“ einem Humanismus abträglich, der bis zu einem „point of no return“ – etwa dann, wenn man dem Gesprächspartner gegenüber gewaltttätig wird – sich offen halten muß für eine persönliche, kritische Auseinandersetzung durch Worte. Ich habe in der „Jungen Freiheit“ etwas zum Problem der Religionsverhetzenden Satire gesagt, und nicht nur dort, weil ich es nicht für vernünftig halte, wenn Menschen sich im Deckmantel von Witzen beleidigen (das war vor dem sog. Karikaturen-Streit), denn der Islam lehnt das Verspotten von dem, was andere für ihr Höchstes ansehen, als schädlich, als Brunnenvergiftung ab. Es gibt andere, sachliche Wege, um das zu kritisieren. Wie aber kann ich jene erreichen, die eine solche Form von Verletzung für legitim halten, wenn ich nicht dort etwas sage, wo sie es auch hören ? Ich bin dann später, lange nach besagtem Artikel (der übrigens zur Folge hatte, dass Stammautoren der JF die Redaktion aufforderten, nie wieder etwas von mir zu drucken, wenn doch, würden sie ihrerseits eine Zusammenarbeit mit der JF kündigen), noch einmal zu einem Dialog-Beitrag gebeten worden, als es in der „pro – contra“-Kolumne der JF darum ging, ob Predigten in den Moscheen auf Deutsch gehalten werden sollten (was ich bejaht habe mit der Einschränkung, dass es auch eine Übersetzung geben sollte, damit jene Moschee-Besucher, die nicht gut genug Deutsch sprechen, wissen, was gesagt wurde). Als Muslim ist es meine Pflicht, über die Wahrheiten meiner Religion aufzuklären, ich kann mich doch nicht mit der Begründung verweigern, dass die Gesprächspartner mir unliebsam sind oder im Grunde Meinungen vertreten, die ich keinesfalls teilen kann. Wenn das Motto unserer Religion „Liebe für alle – Hass für keinen“ ist, heißt das nicht, dass ich Gedankengänge oder Meinungen nicht hassen darf; und es fällt weiß Gott sehr, sehr schwer, bestimmte Leute nicht zu hassen – indes, Hass und Verachtung, Hass und Abscheu sind verschiedene Einstellungen. Und warum sollte ich, zum Beispiel, einen Freund als verloren aufgeben, wenn er sich in etwas verrennt, was vernunftwidrig, verrohend, menschenverachtend und gemeingefährlich ist? Der Kopf ist rund, damit er sein Denken ändern kann, hat einmal ein gescheiter Mensch gesagt. Wer also will denn voraussagen, das dieser oder jener, diese oder jene immer bei ihrer Meinung bleiben wird, oder ihrem Verhalten?
Linkes oder linksradikales Denken hat sich stets dadurch ausgezeichnet, dass es humaner, also nicht menschenverachtend war. Der Satz von Rosa Luxemburg, dass die Freiheit immer (auch) die Freiheit des Andersdenkenden ist, ist Programm. Sich nicht mit ihr auseinander zu setzen hingegen nicht Programm, sondern eine Form von Diktatur. Natürlich, kein Wirt sollte gezwungen werden, einen Autor, den er nicht mag, bei sich gastieren zu lassen. Aber jemanden abzulehnen, ohne dessen Texte zu kennen, ist nicht gerade gewinnend. Und: die politische Einstellung zu diesem oder jenem Problem ist das eine, Literatur, so sie diese Einstellungen nicht dumm-propagandistisch thematisiert, das andere. Würde eine „linke Bühne“ zum Beispiel auch Jack Kerouac, den Autor des legendären Romans „on the road“ („Unterwegs“) und Heros der Beat-Generation nicht auftreten lassen, nur weil er auch ziemlich Blödsinniges über Kommunisten gesagt hat. Sollte man verbieten, Ezra Pound zu lesen, weil er Sympathien für Faschisten gezeigt hat ? Wollen wir wirklich in ein primitives Schemata verfallen, nach dem Konstantin-Wecker-Auftritte abgesagt werden müssen, weil er links ist, und Böhse Onkelz für immer und ewig verdammt werden, selbst wenn sie in ihren Songs sich vom Rechtshuberei distanzieren? Wer hat denn die Gerechtigkeit mit Löffeln gefressen ? Ich werde mit Angehörigen der (Ex-)RAF reden oder auch mit NPD-Leuten, wenn mir das sinnvoll und richtig erscheint. Und wenn das, was in einer solchen Diskussion geschieht, dann gedruckt wird, wird sich jeder einzelne, den das interessiert, selbst einen Eindruck machen können von dem, was ich meine und für richtig, wahr oder falsch halte. Ich habe nicht mein Leben lang dafür gekämpft, dass man seine Meinung sagen darf, um mir dann einen Maulkorb umhängen zu lassen, wenn Gralshüter der Freiheit der Meinung sind, dass das angemessen wäre. Ich bin zu lange und zu oft attackiert und mit Schreibverbot behängt worden, um mir den Mund verbieten zu lassen. Ich habe öffentlich in diesem Lande immer wieder Wahrheiten gesagt, für die Gefängnis angedroht wird, weil Selbstmord nicht Mord genannt werden darf. Ich hab deswegen genug Jobs verloren, in der bürgerlichen Presse und nun auch in der Szene. Sei’s drum. Wer wissen will, wer ich bin und was ich denke, soll meine Bücher lesen oder jene geheimen Orte aufsuchen, in denen ich hinter verschlossenen Türen und abhörsicheren Räumen bei Kerzenschein schreie:
„Freiheit, die ich meine,
Ob ich lache oder weine,
Du bist nicht mein Herr,
Du bist nicht mein Gott,
Ich bin Sklave der Wahrheit,
Sklave der Gerechtigkeit,
So gut ich sie weiß,
Und lauf nicht mit im Trott“.
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Hübschs literarische Laufbahn begann mit einer Veröffentlichung in der von Peter Rühmkorf herausgegebenen, viel beachteten Sammlung Primanerlyrik – Primanerprosa. 1969 veröffentlichte Hübsch seinen ersten Gedichtband Mach was du willst bei Luchterhand. Der ebenfalls bei Luchterhand veröffentlichte spätere Literaturnobelpreisträger Günter Grass prophezeite Hübsch daraufhin eine große Karriere als Lyriker; Hübsch bevorzugte es jedoch, Undergroundpoet jenseits der „Hauptstraßen“ zu bleiben.
Hübschs Lyrik war inspiriert von experimenteller Literatur, dem Dadaismus und expressionistischer Lyrik. Später haben ihn die Beatliteraten geprägt, vor allem Allen Ginsberg, William S. Burroughs und Jack Kerouac. Nach seiner Konversion zum Islam war seine Lyrik zusätzlich von der mystischen Poesie Persiens, von Hafis, Rumi und Sadi beeinflusst.
Hübsch war ein „Spoken-Word-Dichter“, der die literarische Strömung des deutschen Poetry Slam mitbegründete und Namensvater des ersten Social-Beat Festivals in Berlin war. Er gilt als „Urgestein“ und „Legende“ der Social-Beat-Szene und der „Lyrik Performance“. Er war deutschlandweit unterwegs auf Lesetouren und förderte junge Nachwuchsliteraten. 1996 wurde er zum „Deutschen Literatur-Meister“ beim internationalen Poetry Slam gewählt.
Weiterführend →
Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier. Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge. Produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.