LIED DER POLNISCHEN FRAUEN

 

Zwei teilen’s schlangestehn

die dritte geht zur stadt

Die geht nach broten sehn

Die macht die brüder satt

die fleisch gewinnt

oft für das kind

nur ‘n rest von pulvermilch noch hat

Was mit den funktionären?

sie halten sich beiseit

verzehren und erklären

und fressen uns die zeit

Schmarotzer im land

und unsere hand

hält denen die ärsche schußbereit

Wir ham sie nicht vergessen

die zeit vor dem erlaß

beschlagnahmt mund und essen

und frage: reicht euch das

Sie sehn nicht den zorn

übers fenstersimskorn

Da seht die parks: kartoffeln was?

Aus leeren seifenhänden

ernähren wir das land

Wir sollen staub verwenden

und halten selbst kaum stand

Wir stehlen ja nur

was brot und kultur

sonst kommt hier keiner mehr zurand

Wer kann sich die schon leisten

das geld zu dünn geprägt

Die frau ist’s die am meisten

den krempel weiter trägt

Mangels wärme und lichts

haben wir aus dem nichts

die strahlen staubs zu ‘m brett gesägt

Die männer inn betrieben

und was der pfaffe schwätzt

Die blaumilch noch mal sieben

das loch noch mal gewetzt

Estradengekreisch*

doch wo bleibt das fleisch?

wir ham den fleischwolf schon versetzt

 

 

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Ein Ausblick auf: Rohlieder I – X von HEL

HEL ist bekannt als Herausgeber neuer Talente im „literarischen Underground“ und Publizist gesellschaftskritischer Lyrik sowie Essays. Nach dem Zyklus Zeitgefährten, die zwischen 1977 – 2008 entstanden sind, veröffentlicht KUNO die Reihe Rohlieder I – X, die dank Caroline Hartge neu ediert worden sind. In diesen Gedichten spürt HEL das Existenzielle im vermeintlich Banalen auf. Er hat es hat es nicht nötig, Fiktion zu erfinden … die Fiktion existiert bereits.

Weiterführend →

Eine Würdigung von HEL findet sich hier. Eine Hörprobe des Autors findet sich auf MetaPhon. Zur Lyrik von HEL findet sich hier ein Rezensionsessay von Holger Benkel. Ein faszinierend langer Briefwechsel zwischen Ulrich Bergmann und HEL findet sich hier.

Anmerkung:

estrade = „podium, gemischtprogramm“