Mit der Kultur wird Geld verdient, gerade auch in Deutschland – von 30 Milliarden Euro Einnahmen jährlich ist die Rede. Viel Geld, aber wer bekommt dieses Geld? Einige Großverleger, Film- und Popkonzert-Moguln, einige wenige Großverdiener unter den Solisten, aber zugleich fließen, wenn man es aufsummiert, Unsummen an all die Manager, Impressarios, Kulturfunktionäre, Kulturbürokraten, parasitären Bezahlverleger (im Stile von „der August von Goethe Literaturverlag, der Verlag für neue Autoren, ist ein Verlagsimprint der Frankfurter Verlagsgruppe Holding AG“). Aufgrund vergangener Gewerkschaftserfolge erhalten die Hilfskräfte im staatlich-städtischen Kulturbetrieb – vom Personalchef und Oberbuchhalter bis hinab zum Bühnenarbeiter – deutlich mehr als viele ihrer kreativen Kollegen, die Schauspieler, Sänger usw. sind und erst recht mehr als die Künstler in freien Kooperativen und privaten Unternehmungen. Hier ist eine Revolution überfällig – bei Einkommen und Einstufung eine gewisse begrenzte und schrittweise Herabstufung der selbst bei äußerstem Fleiß Unproduktiven und eine parallele Höherstufung der Schöpferischen, ob sie nun originärer Künstler sind oder ein den Kunstentwurf umsetzender Sänger, Tänzer, Regisseur oder Schauspieler. Notwendig wäre auch, gründlich durchzuforsten, welche Mittler und Vermittler überhaupt notwendig und hilfreich sind und hier die Überflüssigen in andere und sinnvolle Tätigkeiten zu vermitteln. Ganz generell geht es darum, daß der Kellner sich nicht länger als Koch oder gar als Restaurantbesitzer ausgibt, sondern zurechtgestutzt wird auf seine eigentliche Aufgabe, nämlich Dienstleister und Diener der Künste wie der Künstler zu sein. So wie es mustergültige Helfer in allen Alltagsnöten gibt, die mehr Anerkennung verdienen als der, der uns unsere Schwierigkeiten tiefgründig erklären kann, ohne auch nur einen Finger für uns zu rühren, so nützt der Kunst derjenige mehr, der in klarer Erkenntnis seiner Grenzen sich um die Umsetzung und Durchsetzung der Kunstwerke kümmert, als all diese verhinderten Dichter und Denker, die sich der Kunst in Kulturbüros und Lektoraten als notorische Bedenkenträger und als Verhinderer vom Dienst in den Weg stellen. Der notwendige reinigende Umschwung der Atmosphäre wird natürlich auch bedeuten, aus einigen der aufgeblasenen Kultur-TalkmasterInnen die heiße Luft öffentlicher Beachtung abzulassen, bis sie auf ihr wahres Zwergenmaß zurückgeschrumpft sind.
Die EU-Kommission betont in einer Studie für die EU-Kulturminister vom November 2006, daß die Kultur – mit steigender Tendenz – immerhin 2,6 % zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert und im kulturellen Bereich in EU-Europa mit 5,8 Millionen mehr Arbeitnehmer beschäftigt sind als in der Gesamtwirtschaft Irlands und Griechenlands zusammengenommen. Der Weltmedienhandel hat sich in den letzten 20 Jahren vervierfacht – ein großer Teil dieses Prozesses wird gespeist von Kulturgütern, die zu profitablen Investitionen geworden sind. Gerade im audiovisuellen Bereich dominieren die USA – hier haben die EU-Länder ein Handelsbilanzdefizit in Höhe von 8 Milliarden Dollar. Wim Wenders spricht von der „aggressiven Ausgrenzungspolitik“ der USA, die den europäischen Film an die Wand drücken wollen und dabei durchaus Erfolg haben: 2004 waren 17 der „Top 20“ in Europa Hollywood-Filme, 70 % der Zuschauer sahen amerikanische Filme. Sehr zutreffend sagt Wim Wenders in einem Interview, klein sei ja auch das, was kleingemacht werde und das Feuilleton gebe „jedem Schrott, der groß daherkommt, allen Platz der Welt“, messe Größe nur nach dem Budget, nicht aber nach inhaltlicher Größe.
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Ein Hinweis auf das Geamtwerk von Rolf Stolz: WOLFSSEKUNDEN. Kurze Prosa 1995-2010. WERKE Band 1“, mit einem Nachwort von Nikolaus Gatter (367 Seiten, fester Einband, 22 x 17 cm, 24,90 €, ISBN 9783746092430).