Verborgen im Ländle – im kleinen Horb-Rexingen – hat der Verlag Barbara Staudacher seine Heimat gefunden. Ein Hinweis Walle Sayers auf Faltblatt veranlaßte die Verlegerin, mir ein selten schönes Büchlein zu senden, mit dem sie mir große Freude bereitete: Anna Achmatowas Erstling Der Abend (2003) – nie zuvor in deutscher Sprache publiziert! Es gibt immer wieder diese besonderen Bücher, die ich in die Hand nehme und vom Titel weg liebe. Wie das schon klingt: Anna Achmatowa, Der Abend. Es folgen auf 72 Seiten die ersten Gedichte der damals 20jährigen Anna Achmatowa, mehrere Abbildungen von Modiglianis Akten, die der Künstler von der engbefreundeten Dichterin in Paris anfertigte sowie ein kenntnisreiches Nachwort des Übersetzers Kay Borowsky, das den Leser über Leben und Werk einer einmaligen Lyrikerin, deren Poem ohne Held ich grandios finde, in Kenntnis setzt. Pure Freude, und der Lektüregenuß an diesem hochsommerlichen 1. August 2003 ist viel zu schnell vorbei. Zwei lyrische Sammelbände – von Kay Borowsky ediert und übertragen – deuten einen Schwerpunkt des überschaubaren Verlagsprogramms an: Rußland. Die Anthologien Petersburg – die Trennung währt nicht ewig (1996) und Bei mir in Moskau leuchten die Kuppeln (1997) vermitteln nicht nur die Atmosphäre zweier Weltstädte, sondern auch einen repräsentativen Querschnitt russischer Lyrik. Mit Sylvia Keyserling betreut der Verlag Barbara Staudacher eine ernste, Mythen, Natur, Welt und Mensch poetisch verknüpfende Autorin, deren Titel Himmelsläuferin (1993) sowie und die uns anvertraute Erde zerstören wir Tag um Tag (1997) als Künstlerbücher publiziert wurden. Wertvolle Papiere, eindringliche Bilder, Handfadenheftung – es dürfte sich herumgesprochen haben, daß ich für solch wertvolle Editionen in kleiner Auflage sehr empfänglich bin. Besonders Himmelsläuferin, in dem die Vögel besungen werden, hat mich begeistert und veranlaßt, Vogelgedichte von Poe oder Celan wiederzulesen.
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Weiterführend → Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.
→ Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.