Rimbaud Verlag

 

Als Christoph Leisten mir verrät, daß er einen Titel beim Aachener Rimbaud Verlag gelandet hat, beglückwünsche ich ihn von ganzem Herzen: Rimbaud ist ein Verlag mit einem erlesenen Lyrikprogramm. Christoph Leistens in diesem licht (2003) ist aber auch ein besonders gelungenes, vom Zeitgeist nach 2000 durchpulstes Gedichtbuch, das es verdient hat, in einem guten Verlag veröffentlicht zu werden. in diesem licht – das ich zehnmal verschenkt habe – empfehle ich dringend: Das Buch gehört zu den interessantesten Gedichtbüchern des Jahres 2003 und gehört mit der lyrischen Raffinesse und Sensibilität, die in diesen Wörtern und Versen stecken, zu der Art Lyrik, die uns vorwärtsbringt. Aus der gegenseitigen Wertschätzung, die nicht nur die Gedichte umfaßt, ist zwischen Christoph Leisten und mir eine Freundschaft gewachsen, in der Lyrik auf dynamische Art und Weise erlebt wird. Buchempfehlungen gehen hin und her, und der lyrische Diskurs – per E-Mail, Telefon oder bei einer persönlichen Begegnung im Hinterland – beflügelt unseren Umgang mit Lyrik von Woche zu Woche. In Jene Trauben des Zeuxis (2002), der Band, mit dem die Rimbaud-Edition der ausgewählten Werke Hans Benders beginnt, finde ich Aufzeichnungen und eine Handvoll Gedichte ausschließlich über Malerei.

KUNSTRAUB IN WEIMAR

Ein Bild von Liotard
ist verschwunden.
Ich gleiche dem Dieb
in seinem Geschmack.

Mit Hans Bender, der am 1. Juli 2005 das 86. Lebensjahr vollendete, verbindet mich ebenfalls eine gute Freundschaft. Jeder Besuch in der Kölner Taubengasse gleicht einem langen Gang durch die Geschichte der Gedichte seit den 1950er Jahren. Über Rainer Brambach und Rolf Dieter Brinkmann reden wir bei jeder Begegnung. Verweilen, gehen. Gedichte in vier Zeilen (2003), der zweite Band der ausgewählten Werke, ist nach Fremde soll vorüber sein (1951), Gedichte (1952), Lyrische Biographie (1957), Hier bleiben wir (1992), schwarz auf weiß. Sechzehn Vierzeiler (Ulrich Keicher, Warmbronn 1998), Jahrmarkt (Einblattdruck in der edition bergelmühle, Edenkoben 1999) und Nachmittag, Ende September. Vierzeiler (edition fundamental, Köln 2000) – der siebente reine Lyriktitel unter den zahlreichen Büchern Benders und zeugt wieder von der gebündelten Genauigkeit der betont einfach gesetzten Wörter, die nicht nur diese Vierzeiler auszeichnet. Die unverwechselbare Stimme Benders, in den Romanen, Kurzgeschichten, Aufzeichnungen, Aufsätzen und Nachwörtern stets gegenwärtig, gehört für mich zu den Stimmen, die nach dem Zweiten Weltkrieg die deutschsprachige Literatur ausmachen. Den folgenden Vierzeiler stellte Hans Bender mir freundlicherweise als Erstdruck für Aus dem Hinterland. Lyrik nach 2000 zur Verfügung:

IM KURORT

Sanft steigen die Pfade an.
Bänke laden zum Ruhen ein.
Nur so alt wie die anderen
wollen wir nicht sein.

Matthias Kehle – leidenschaftlicher Walter-Helmut-Fritz-Verehrer – zeigt in Farben wie Münzen (2003), daß er zu den Dichtern gehört, die durch Weglassen das Eigentliche herausstreichen wollen.

STANDORTFRAGE

Wo wir sind?
In Parkplatznähe
Am abgeriebenen
Fleck der Wanderkarte

Heftiger geht es da in den viele Assoziationen hervorrufenden, mit beinahe unendlichen Wortverschränkungen agierenden Lauffeuerpausen (1999) und Eros Ionen (2003) von Frank Schablewski zu, die mich in einen freudvollen Wörtertaumel versetzen. Bei Rimbaud erscheinen u.a. die Werkausgaben von Michael Guttenbrunner, Reinhard Kiefer, Ernst Meister, Dagmar Nick und natürlich Arthur Rimbaud. Ein editorischer Schwerpunkt sind die in der Reihe Texte aus der Bukowina veröffentlichten Bände von Rose Ausländer, Paul Celan, Alfred Kittner, Immanuel Weißglas u.a. Das umfangreiche Lyrikprogramm des Rimbaud Verlags wird in seinem Ausmaß erst deutlich, wenn Sie einen Blick auf die Backlist werfen.

 

 

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Weiterführend Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.