Es gibt nicht viele Bücher aus dem 1995 von Sergiu Stefanescu in Stuttgart gegründeten Ithaka Verlag, aber allein der von Boris Kerenski und dem Verleger gemeinsam herausgegebene 400 Seiten starke Reader Kaltland Beat (1999) ist von solcher Einmaligkeit – es gibt in der Tat kein besseres Buch dieser Art im deutschen Sprachraum über diese Epoche −, daß sich die Verlagsgründung für diese eine verlegerische Tat bereits gelohnt hat. Kaltland Beat ist eine Textsammlung der 90er Jahre, die die neue deutsche Szene jener Jahre vorstellt. Herausgekommen ist dabei ein total lebendiges Buch, das einen repräsentativen Querschnitt dessen bietet, was hierzulande in den nun bereits legendären 1990er Jahren literarisch gelaufen ist. Die jungen Wilden der in etlichen Großstädten für Furore sorgenden Social-Beat- und Slam-Poetry-Szene, die mit ihren wilden Gesängen nicht nur verkopften Schreibtischautoren den Kampf ansagen, sind vorrangig vertreten, aber auch Urgesteine und Cut-Up-Spezialisten wie Hadayatullah Hübsch und Jürgen Ploog demonstrieren nach wie vor ihr subversives Schreibnaturell. Wer wissen will, wie die Autorinnen und Autoren der 1950er, 60er und 70er Jahrgänge schreiben, findet in Kaltland Beat, das gleichsam humusbildend für die Zeit nach 2000 ist, einen beispielhaften Überblick. Klaus F. Schneider reimt und zitiert und verziert und verirrt und verwirrt in den Gedichten seines Buches Eine Kunstpartie (1999), einer phantastischen Tour de Force, die mich in einen besonders rauschigen Leserausch versetzt. Joachim Kelter überrascht in Der erinnerte Blick (2000) mit einfühlsamen Prosagedichtenund dem fabelhaften Gedicht „Crossings“, für das sich der Buchkauf bereits lohnt. Nach 10 Jahren hat der Verlag 2005 seine Pforten schließen müssen.
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Weiterführend → Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.
→ Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.