If it keeps on rainin‘, levee’s goin‘ to break
Wer wissen möchte, warum Led Zeppelin eine der besten Rock’n’Roll-Bands sind, sollte sich das unbetitelte 4. Album anhören. Nein, nicht wegen der Himmelsleiter, sondern wegen „When The Levee Breaks“. Allein die ersten Beats auf dem Schlagwerk haben etwas Hypnotisches. Einerseits wegen der Idee, das Schlagzeug in den halligen Hausflur zu stellen (so wurden im analogen Zeitalter Special-Effekte erzeugt), andererseits wegen des stoisch durchgehaltenen Beats von John Bonham. Um die Atmosphäre einer „ertrunkenen Welt“ zu simulieren, griff Jimmy Page (der seine Stromgitarre gelegentlich mit einem Geigenbogen traktierte) auf unterschiedliche Produktionstricks zurück, darunter Echo, Rückwärts-Harmonika und Slow-Motion-Playback. Am Ende des Stücks hatte der Drummer das Stück so weichgeklopft, dass dieses Kotelett selbst einen Veganer wieder zum Fleischfresser werden ließ.
Keith Moon soll 1966 bei den Aufnahmen zu Beck’s Bolero (an der Page und John Paul Jones mitwirkten) gesagt haben, eine Band um Page würde „abstürzen wie ein bleiernes Luftschiff“.
Meine zweite Erinnerung resultiert aus einer weiteren Irritation. Wahrlich, es gab Zeiten, in denen ein Song wie „Whole Lotta Love“ nicht nur in die Hitparade einziehen konnte. Es wurde auch mit dem experimentelle Mittelteil, einer psychedelischen Klang-Collage aus Kreischen, Quietschen und Gebrüll, unterlegt mit Beckenschlägen und Fills auf der Snaredrum und dem Tomtom, miteinander verbunden mit durchgehenden Achtelimpulsen der Hi-Hat im Radio gespielt. Diesen Song hörte ich während eines heißen Sommers zu bei Verwandten im Garten. Im Nahbargarten tanzte ein Mädchen im Bikini dazu. Ihre Bewegungen waren ganz natürlich und hatten nichts mit dem Cheerleader-Gehaben zu tun, mit dem amerikanische Filme dieser Zeit illustriert werden. Es gab eine Zeit in der alten BRD, die man als unschuldig bezeichnen kann. Und es gab eine Zeit, in der die Kindheit endete.
Der perfekte Rock-Song
Led Zeppelin wäre eine Rhythm and Blues-Cover-Band geblieben, die sich mit vorgefundenem ästhetischem Material beschäftigt, hätten sie nicht den einen perfekten Rock-Song geschrieben. Es ist selbstverständlich nicht der Song Rock and Roll, der von den stilistischen Ursprüngen des Hard Rock im Rock‘ zeugt (entgegen der verbreiteten Angabe, der drum-groove eingangs basiere auf dem Titel Good Golly Miss Molly – ist es selbstverständlich Little Richards Keep-A-Knockin’, welches als Vorlage diente). Exkurs: Briten sind Piraten, sie leben davon andere Menschen zu bestehlen und das Erbeutete als Eigenes darzustellen. Später fand ich heraus, wieviel sich ZEP vom Delta-Blues angeeignet haben und das Whole Lotta Love erkennbar an You Need Loving von den Small Faces angelehnt war ist, ein leicht zu behebender Urheberrechtsstreit. – Der perfekte Rock-Song ist The Ocean, dies kann man in einem Auftritt im Madison Square Garden (New York, NY, 7/1973) nacherleben. Die Rhythm-Section, bestehend aus John Bonham und John Paul Jones liefert einwandfrei ab. Jimmy Page spielt seinen Part virtuos, jedoch nicht eitel. Und dann Robert Plant, das Madonnenbild eines Rocksängers mit goldenem lockigem Haar, einer androgynen Figur, die jedes Mädchen zu dieser Zeit erblassen lässt und röhrend wie ein brünstiger Hirsch in der Lichtung der Scheinwerfer.
Mit dem Tod von Bonzo hat sich die Band 1980 konsequenterweise aufgelöst. Dennoch fand am 10. Dezember 2007 in Abschiedskonzert in der London statt. Am Schlagzeug sitzt der Sohn von John Bonham.
Weiterführend → Auf KUNO gehen wir der Frage nach, wer Hard-Rock erfunden hat. Für die einen ist es You Really Got Me von den Kinks, für die anderen Magic Bus von The Who und auch Deep Purple ist nicht in Stein gemeißelt. Oder haben wir es zuerst auf der Tonspur von Easy Rider gehört? – Wir warten nach dem Heavy metal thunder nicht auf den Blitz, um den Göttern des Donners eine Referenz zu erweisen. Des Weiteren: Eine Sternstunde des Rock’n’Roll. Thrash Metal ist das Resulthat der Verschmelzung der Energie und Geschwindigkeit des Hardcore Punk mit den Techniken der New Wave of British Heavy Metal. Unterdessen belegt Limp Biszkit, wie der Rock’n’Roll zu einer Parodie geworden ist.