„Andere drucken Bücher, ich verlege Autoren!“, behauptet Verleger Dietmar Ehrenreich kühn im Begleitschreiben der Büchersendung, die mich vor einigen Tagen erreicht. Davon abgesehen, daß ich ihm diesen Aphorismus, den Siegfried Unseld übrigens ganz ähnlich formuliert hat, durchaus abnehme, beklage ich gleichzeitig – zum wiederholten Male in letzter Zeit −, daß das Buch für eine Vielzahl von Verlagen zur bloßen Ware verkommt. Ich weiß nicht, ob es heutzutage unbedingt ein Glücksfall ist, als Lyriker in einem großen Verlag verlegt zu werden. Der kleine Resistenz Verlag aus Linz ist ja nicht zu verwechseln mit dem großen Wiener Residenz Verlag. Es zeugt allerdings von einer gewissen Schlitzohrigkeit, sich auf ein Wortspiel einzulassen, das den gängigen Verlagsnamen umgehend und automatisch aufruft. Aber hören wir wieder Dietmar Ehrenreich selbst: „Resistenz bedeutet Widerstandsfähigkeit, und Literatur hat einen so geringen Stellenwert in unserer Gesellschaft, daß es starker Resistenz bedarf, Schriftstellern ein gutes Publikationsforum bieten zu können.“ Das tut der Resistenz Verlag mit fein gemachten Büchern, unter denen ich neben Andreas Findigs Der Himmel von hinten (1996), Erich Josef Langwiesners Spots (2000), Karin Kinasts vorzüglicher lyrischer Prosa Vom Ziehen und Brechen und von der Liebe (2000) und Ernst Schmids Die Finsternis der Tage (1998) den in Mühlviertler Mundart verfaßten Gedichtband So gengan de Gangë (2000) von Reinhold Aumeier hervorheben möchte: Mit spitzer Feder, schlitzohrigem Humor und einfachen Wörtern stellt er den Terror des Alltags bloß – mit verblüffendem Freimut. Die mundartliche Tradition von H.C. Artmann oder Ernst Jandl, Hinterland im besten Sinne!, lebt erfreulicherweise fort.
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Weiterführend → Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.
→ Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.