Auf die Frage, für wen er schreibe, antwortete Jean Cocteau: „Für die, die auf derselben Wellenlänge sind wie ich.“ Sind Sie – beispielsweise – auf einer Wellenlänge mit Dieter P. Meier Lenz (Mitherausgeber von die horen) oder Pierre Garnier (u.a. Erfinder der visuell orientierten „spatialen“ Poesie)? Dann sind Sie beim von Fritz Werf geführten Atelier Verlag Andernach richtig. Seit 1966 hat Fritz Werf, selber Dichter und Übersetzer, eine Vielzahl lyrischer Bücher in den drei Reihen AVA-Lyrik (Auflage 200-800), Edition Lyrik + Grafik (99 numerierte und signierte Exemplare mit drei originalen Grafiken) sowie der Edition 66 Lyrik + Grafik (66 numerierte und signierte Exemplare mit originaler Grafik) in stilvoller Ausstattung herausgebracht. Dichter, Herausgeber, Übersetzer wie Fritz Deppert (Gezählte Tage, 1998), Hilde Domin, Ludwig Harig, Karl Krolow, Gisela Noy (Atemsäule, 1997), Raimund Petschner, (Nackenauge, 1997) oder Josef Reding haben ihn darin unterstützt, zeitgenössische deutsche Lyrik in Erstausgaben sowie europäische Poesie (oft zweisprachig) in professioneller Form zu publizieren. Obwohl ich bereits etliche Bücher Pierre Garniers gelesen habe, packen mich seine von Fritz Werf kongenial nachempfundenen naiv-universalen Gedichte aus Die andere Zeit (1993) wie am ersten Tag. Welch ein großes Bild in einfachsten Wörtern zu Papier gebracht:
Die Schnecke ist mein Totem-Tier:
Auch diese um einen Punkt gerollte Säule
ist die Welt.
Beeindruckt hat mich neben Fritz Werfs Ohne Widerruf (1997) mit Zeichnungen von Georg Ahrens auch Werfs Band Seestücke (2000) mit stürmisch-stillen Gedichten und der Hommage an Pablo Neruda als crescendoartigem Höhepunkt sowie kühlen Montagebildern von Otto G. Altena. Walter Hilsbecher läßt in Zeitkäfig (2001) diese schönen Wörter klingen: „Im Wald war es heute so still“, sagt das Kind, „ich habe das Licht singen hören bei seinem Gang durch die Blätter.“ Weitere Bücher sind angesagt.
* * *
Weiterführend → Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.
→ Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale Projekt „Wortspielhalle“ zusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph Pordzik, Friederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.