Literatur(en) der Kleinsprachen

Die Literaturen der Kleinsprachen und ihre Bedeutung in Bezug auf die Großsprachen im Zeichen der Globalisierung

Was muß getan werden, um die „Kleinen Literaturen“, die Literatur kleiner Völker und Nationen und auch die von „Minderheiten“, von Volksgruppen zu unterstützen, zu fördern, zu festigen, zu verbreiten und vor der Assimilierung und somit Eliminierung zu bewahren. Ebenso: Wie können diese Literaturen und Sprachengemeinschaften Anschluß an die Literaturen der großen Sprachengemeinschaften und der (zeitgenössischen) Weltliteratur finden? Und warum ist das wichtig? Antwort: Es ist eine kulturpolitische Notwendigkeit. Sprache/Literatur sind Garanten der national-kulturellen Identität, aber auch der Gruppenidentität. Literatur ist ein Faktor der Identität(sstiftung) sowohl nach außen wie auch nach innen. Literaturen der „kleinen“ Kultur- und Sprachengemeinschaften sind wichtig und unersetzbar, gerade in einem größeren Ganzen; Stichwort EU und Globalisierung. Die Literaturen der „Kleinen“ müssen international popularisiert werden. Kulturelle Anerkennung bedeutet auch politische Anerkennung, auch im Sinne und unter dem Aspekt der Demokratisierung, der Gleichberechtigung. Einer alles vermengenden und nivellierenden Globalisierung muß eine Annäherung der Völker und ihrer Kulturen/Literaturen entgegengesetzt werden. Wichtig und unaufgebbar ist die kulturelle Autonomie der „Kleinen Völker“! Kulturen und Literaturen und ihre Produzenten (SchriftstellerInnen) ebenso wie das Kulturgut selbst sind schutzwürdig und schutzbedürftig. Dazu benötigt es Schutzmaßnahmen. Diese im großen Kontext (EU) auf politischer, rechtlicher Ebene, aber auch solche gegenüber den beherrschenden Macht- und Marktstrukturen und deren Zielsetzungen und Methoden. Wichtig ist der Austausch von Literaturen.  Wichtigste Maßnahme hier ist die Förderung der Übersetzer und der Übersetzungen. Aber auch und vor allem die Förderung der Rezeption durch Übersetzer, Verleger, den Markt und beim Leserpublikum. Vorallem die Literatur für die Jugend ist wichtig. Der Staat hat einen Bildungsauftrag. Voraussetzung: Information und Informationsaustausch. Vorshlag: Eine Agentur zur Förderung der Literaturen kleiner Sprachgemeinschaften. Förderung der Übersetzung von Werken aus der Weltliteratur, auch der zeitgenössischen, in Sprachen kleinerer Sprachengemeinschaften. Vorschlag für die Rezeption: Errichtung einer Online-Bibliothek. Erwerb und Verbreitung von solchen übersetzten Büchern durch die staatlichen Kulturbehörden, aber auch durch private Stiftungen. Besondere Rolle spielen die internationalen Buchmessen als Orte der Informationsbegegnung und der möglichen Kooperation.  Die „Freie Marktwirtschaft“ verändert alle bisherigen Gegebenheiten, vorallem in den Reformländern. Sie verändert die Gesellschaft, ihre Bedingungen, ihre Konventionen, ihre Werte und ihren Wertekanon, somit auch ihr Verhältnis zur Literatur. Sie verändert sogar personale Identität und Sozietät, sie überzieht alles mit einer Art Folie des neuen Konsumverhaltens. „Der Freie Markt“ und dieses globale bzw. globalisierte Konsumverhalten treten an die Stelle der „alten Ideologien“. Die Jugend und auch dazu die Zwanzig- bis Dreißigjährigen haben diese Ideologien nicht oder nicht mehr wirklich   kennengelernt, sie sind von der modernen Konsumwelt enttäuscht und frustriert. Das drückt sich auch in ihren Literaturen aus, auf dieser Ebene von Enttäuschung, Angst und Frust haben sie etwas Gemeinsames. Momente bzw. Grundgefühle der Entfremdung entstehen in  dieser konsumorientierten, ja konsumbeherrschten Welt der globalisierten „Freien Marktwirtschaft“. Der polnisch-österreichische Schriftsteller Radek Knapp: „Wir Literaten haben Sehnsucht – niemals nach Regimen, sondern nach dem Gefühl, im eigenen Land zuhause zu sein.“ Die Gefahr einer desorientierten Gesellschaft gibt es. Radek Knapp: „Etwas Echtes und nicht so Schnelles“, müßte es sein. Also Werte, Grundwerte? Ja! Der „Freie Markt“ verlangt und handelt zwangslogisch nach den Faktoren Rationalisierung und Rentabilität. Alles, was dem entgegensteht, hat für ihn keinen Wert, weil es keinen  Profit bringt. Literatur und Kunst aber bewegen sich in ihrer Zielrichtung jenseits dieser Kategorien!  Diesen Faktoren und Kategorien aber sind auch Kultur und Literatur „ausgeliefert“. Und zwar dadurch, dass es eine gewisse vom Markt vorgegebene Erwartungshaltung an die Literatur gibt. Stichwort: „Vermarktbare Literatur“. Diese Erwartungshaltung erzeugt einen Anpassungsdruck, dem manche Autoren auch entsprechen, nachgeben. So entsteht Kommerzliteratur; mitunter eben schlechte Literatur. Wichtig ist aber die Qualität der Literatur und daß diese Qualität popularisiert wird. Und wichtig ist die Authentizität des literarischen Werkes und eben auch des Schriftstellers, der Schriftstellerin. Es darf zu keiner Verflachung kommen. Die Gefahr der Assimilierung „Kleiner“ Sprachen und ihrer Literaturen ist sehr groß. Beispiel: Ehemalige Sowjetunion. Mehr als 150 Sprachengemeinschaften waren in ihr. Wie können diese fortbestehen, sich weiterentwickeln? Was erwartet Europa von diesen Literaturen, die es noch gar nicht kennt? Wer ist dieses Europa? Ein Mythos? Vorschlag (Ungarn): Die EU soll auf systematische Weise die Übersetzungen fördern! Dies ist auch eine politische Forderung zwecks Aufrechterhaltung der kulturellen Diversität in Europa. Gute Literatur entsteht aber nicht in erster Linie durch Fördermaßnahmen. Literatur machen ist zu allererst ein individueller Akt.

Gute Literatur muß entstehen, sie blüht auf oder auch nicht. Man kann in der Kunst nicht alles regeln.

Jazek Buras

Trotzdem sind kulturpolitische Maßnahmen absolut notwendig. Hier ein verstärktes und konkretes Engagement in der EU nötig auf der Basis der Kulturkonvention der UNESCO. Notwendig ist, alle Informationen miteinander auszutauschen, alle Ressourcen auszuschöpfen, alle Maßnahmen zu fokussieren, um Effizienz zu erreichen. Wichtig ist aber innovativ zu sein, den Blick weniger rückwärts als vielmehr nach vorwärts, in und auf die Zukunft zu richten.  Denn nur so kann die kulturelle Vielfalt in Europa erhalten werden.

 

 

 

Wiplinger Peter Paul, Porträt von Annemarie Susanne

Weiterführend → 

Über den dezidiert politisch arbeitenden Peter Paul Wiplinger lesen Sie hier eine Würdigung.