Urs Engeler Editor

 

Er lese Von herbstlicher Stille umgeben wird ein Stück gespielt (2003) von Peter Waterhouse wie ein Gedicht, betont Urs Engeler während unseres Telefongesprächs, bei dem ich mich ein wenig in einen Verleger hineinzuhorchen versuche, dessen reizvolles Programm mich seit den Anfängen zu Beginn der 1990er Jahren interessiert. Die phantastische elfte Ausgabe der von Engeler in seinem Verlag herausgegebenen Lyrikzeitschrift Zwischen den Zeilen stand am Beginn meiner mit jedem Buch wachsenden Begeisterung für lyrische Produkte aus dem Verlagshaus Urs Engeler Editor, grenzgängerisch in Basel und Weil am Rhein niedergelassen. Grenzgängerisch ist auch eine Reihe der Bücher – ist es nun Gedicht oder Miniaturprosa, Lyrik oder Theaterstück, Poesie oder Tagebuch? Bücher aus Engelers Verlag stellen auf kompromißlose Art und Weise hohe Herausforderungen dar.

 

ULF STOLTERFOHT

DOC (2)

ein tauentzien wie hermandung
den wagen bricht von bleicher
brüter abzusehn bittst folgen-
schwer genest

ein torkeln um kann nicht
verstehn die tauto seilschaft
still zu stehn im gegen einen
dienstvergang

ein hängen würgt den überhals
feins derwischt des gespinster
gleich totem vormals zwiegeschnetz-
terer verblasung IV

ein schrippen fasten von kar-
woche an denkst maultasch im
oktober nebeln sich die grauen
panzer viele

 

Es dominieren die Bücher, deren Vielschichtigkeit und Ambivalenz die absolute Konzentrationsbereitschaft leidenschaftlicher Lyrikleser voraussetzen – ob Elke Erbs Menschsein, nicht (1998) oder die crux (2003), ob Ulf Stolterfohts fachsprachen X-XVIII (2002), Farhad Showghis Ende des Stadtplans (2003), Michael Donhausers Vom Schnee (2003) oder Oskar Pastiors Gimpelschneise in die Winterreise (1997). Mit seinem beständig wachsenden, ausgesuchten lyrischen Programm allererster Qualität gehört Urs Engeler Editor zu den eindrucksvollsten Erscheinungen unter den kleineren Verlagen im deutschsprachigen Raum. Sie wünschen weitere Belege für meine euphorisch vorgetragene These? Wortstellungen zur Stellung der Poesie ist ein idiosynkratisches Poetologiebuch des sprachwachen Hans-Jost Frey, das mit dem Vorschlag endet: „Anstatt die fehlende Ruhe zum Lesen zu suchen, lesen, um die Ruhe zu finden“. Wladimir Majakowskis verrückte, zweisprachig edierte und vom vitalen Alexander Nitzberg neu übertragene Klangmosaike Tragödie Wladimir Majakowski und Wölkchen in Hosen, die die mehr und mehr entwickelte ausgeklügelte Reimtechnik Majakowskis kongenial erfassen, sollten Sie sich ebenfalls nicht entgehen lassen. Franz-Josef Czernins und Hans-Jost Freys Korrespondenzbuch Briefe zu Gedichten (2003), ein Titel, der für sich spricht, zeugt von der Ernsthaftigkeit, mit der Zeitgenossen darum bemüht sind, den lyrischen Diskurs in Bewegung zu halten. 2005 läßt Engeler nun dermaßen seine poetischen Muskeln spielen, daß der Konkurrenz angst und bange werden darf: In mehreren Kapiteln dieses Buches werden Sie auf Bücher stoßen (etwa von Renato P. Arlati, Michael Donhauser und Felix Philipp Ingold), von denen ich zwei – die von Donhauser und Ingold – vorläufig auf die Bestenliste der Gedichtbücher nach 2000 setze.

 

 

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Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur

Weiterführend Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik, sowie einen Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.