Dan Treacy ist ein Musterbeispiel für schmuddeligen, abgewetzten Außenseiter-Pop
Nach einem voyeuristischen Artikel in der Illustrierte ´Spiegel` über den Ratinger Hof verwandelte sich dieser Randbereich der Altstadt in einen Freizeitpark. Dann nannten Eingeweihte die Touristen, die den “Punk-Laden” auf der Ratinger Straße heimsuchten: “Haus und Hof-Punks”. Ähnliches hat wahrscheinlich auch Dan Treacy in London erlebt, als er für seine Band Gruppe „Television Personalities“ den Song Part Time Punks schrieb.
Den Song hat Treacy 1978 geschrieben, er wurde erstmals 1978 als Teil der EP „Where’s Bill Grundy Now?“ mit vier Liedern veröffentlicht. Treacy finanzierte die EP selbst, teilweise mit einem Darlehen seiner Eltern. Er hatte vorgehabt, das Lied unmittelbar danach als Single zu veröffentlichen, konnte sich aber die Pressung der 7-Zoll-Singles nicht leisten.
Der Text von Part Time Punks ist eine humorvolle Satire auf die nachzüglerischen, modeorientierten „Plastik“-Punks, die um 1979 auftauchten, nachdem die englische Punkrock-Bewegung aus dem Untergrund kam und in den Mainstream gelangte, insbesondere nach Bill Grundys berüchtigtem Live-Fernsehinterview mit den Sex Pistols in der Sendung „Today“ im Jahr 1976, bei dem die Band fluchte und der Fernsehmoderator Bill Grundy von der BBC gefeuert wurde, weil er Siouxsie Sioux sexistisch angegangen war.
Als eine Kopie von Part Time Punks vom BBC-DJ John Peel aufgegriffen wurde, wurden Treacy mehrere Plattenverträge angeboten, bevor er schließlich bei Rough Trade unterschrieb. Die Veröffentlichung der Single im Jahr 1980 machte die Television Personalities in der damals aufkommenden Independent-Musikszene auf breiter Ebene bekannt.
Die aufgenommene Version von Part Time Punks wird im typischen Low-Fi- und absichtlich chaotischen Stil von Television Personalities vorgetragen. Tracey singt in der Landessprache mit ausgeprägtem Londoner Akzent und einer erzählenden Intonation. Zusätzlich zu dem absichtlich amateurhaften Ton scheinen sowohl Treacy als auch Ball Mühe zu haben, ihre Stimmharmonien im Einklang zu halten. Der Text wirft einen kritischen und ironischen Blick auf Aspekte der Entwicklung des Punkrocks von seinen Underground-Anfängen Mitte der 1970er Jahre hin zu einem kommerzielleren, modischeren und Mainstream-Stil. Er persifliert „die Punkrocker mit Cartoon-Irokesenschnitt, die die King’s Road als hilflose Modeopfer übernommen hatten, die den Gründungsgeist des Punkrocks nicht kannten.
Punk war einmal; und alle, die danach behaupteten, sie wären dabei gewesen, ist nie jemand begegnet.
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Part Time Punks, Television Personalities, 1978
Weiterführend → Im typischen Gestus junger Dichter hasste Arthur Rimbaud die kleinbürgerliche Enge seiner Vaterstadt, was z. B. in dem satirischen Gedicht À la musique (An die Musik) zum Ausdruck kommt, er ist der erste Rockstar der Poesie. Dichter wie der Dub-Poet Linton Kwesi Johnson, der Punk-Poet John Cooper Clarke, der Lo-Fi-Poet Dan Treacy, der Spät-Expressionist Peter Hein, der Lizard-King Jim Morrison und die Grandma des Punk Patti Smith nutzten Musik als Transportmittel für ihre Lyrics. Und eigentlich könnte auch: „Dylan gut ohne den Nobelpreis für Literatur weiterleben und -arbeiten. Er ist auch kein genuiner Kandidat, insofern er halt kein ‚richtiger‘ Schriftsteller ist, sondern ein Singer-Songwriter.“ (Heinrich Detering). Es gibt im Leben sowie in der Kunst unterschiedliche Formen von Erfolg. Zum einen gibt es die Auszeichnung durch Preise und Stipendien, zum anderen die Anerkennung durch die Kolleginnen und Kollegen.