Hey Hey, My My / Rock’nRoll will never die
Eine Ehrenrettung, Live-Rust widerlegt alle Kritikaster von Neil Young, die seine Stimme für „dünn“, „schwächlich“ und „voller Furcht“ bezeichnet haben. Auf diesem Live-Album klingt er rotzig, selbstbewusst und weltgewandt, er arbeitet mit klanglichen Assonanzen, mit Wiederholungen von Vokalen und Konsonanten.
I just wipe the rust off my guitar.
Das Album zeigt einen Songwriter, der sich aus seiner Krise rockt. Young hatte den Weckruf gehört, mit dem Punk den Rock’n’Roll durchgerüttelt hat, er arbeitet zwischendurch sogar mit DEVO zusammen, Mark Mothersbaugh schlug Young vor, den Slogan der Rust-Oleum-Farbe „Rust Never Sleeps“ zu übernehmen. Und so wurde ein Firmenmotto zu Youngs Mantra für seine Herbsttour. Die Aufnahmen zu Live-Rust sind roh und elektrisierend, zugleich erstaunlich straff. Die Energie ist spürbar. Dabei beginnt es vergleichsweise wehmütig mit Sugar Mountain. Des weiteren ein Acustic-Set, mit der sich der Rocker durch sein Frühwerk und seine Akustiksongs von „Comes A Time“ über „After The Gold Rush“ bis hin zu „Out Of The Blue“ raspelt, bevor er – lautstark unterstützt von Crazy Horse – im Morast übersteuerten Lärms versinkt, was direkt zurück zu „Cinnamon Girl“ und vorwärts zu „Out Of The Black“ führt und mit der offensichtlichen Eindringlichkeit des Songs für seinen Roadie Bruce Berry endet, „Tonight’s The Night“ und den Worten „Rock and Roll Can Never Die“, die verklingen, bevor der Song zu Ende ist, und eine Feststellung in eine Frage verwandeln.
Neil Young ist ein wahrhaft elektrisierendes Album gelungen
Diese Art von Zweifel und Verlustgefühl zieht sich durch das ganze Album. Young singt größtenteils wie der wahre verlorene Cowboy, der Mann, der die Träume von Hank Williams geerbt hat, aber nicht noch einer sein will, der auf dem Rücksitz eines Autos liegt, dessen Herz von zu vielen Pillen und zu vielen Flaschen explodiert ist. Auf „Cortez The Killer“ klingen die Zeilen „Hate was just a legend / War was never known / People worked together…They did with bare hands / What we still can’t do today“ jetzt noch bedauerlicher als beim ersten Mal – mit Sampredas eher orthodoxem Gejammer, das mit Youngs dreckigen Einzeilern duelliert wird, ist das Verlustgefühl vollkommen, das einzige Paradoxe ist, dass Young nie verzweifelter oder inspirierender geklungen hat. Eine epische, achtminütige Version von „Like a Hurricane“ lässt Youngs Gesang über einem Nebel aus Verzerrungen und Lead-Lines schweben, die zwischen den Texturen von Fudge und Klaviersaiten wechseln. Ein Teil der Kontrolle ist sicherlich der Rhythmusgruppe von Crazy Horse zu verdanken, die sich nicht aus dem Song drängen lässt, egal wohin Young sie zu ziehen versucht. Aber die andere Variable ist Youngs angeborenes Gespür für Melodien, das seinen Gesang und seine Lead-Arbeit beeinflusst und Songs innerhalb von Songs entstehen lässt.
Tonight’s the Night is a direct expression of grief. Crazy Horse guitarist Danny Whitten and Young’s friend and roadie Bruce Berry had both died of drug overdoses in the months before the songs were written.
Das Album endet mit „Tonight’s the Night“. Youngs Wut und Frustration über den Verlust seiner Wegbegleiter sind auch sieben Jahre nach seinem Tod noch immer in Gesang und Gitarrenspiel zu hören. Sein Gitarrenton knistert wie eine heruntergefallene Stromleitung, während er Crazy Horse durch die Stopps und Starts des Rhythmus führt und sein Solo in etwas abdriften lässt, das man fast als Free Jazz bezeichnen könnte. Ralph Molinas Schlagzeug und Billy Talbots Bass verlassen nie den Groove, sondern spielen mit Youngs Gitarre, verlassen gelegentlich für einen Moment ihren Posten, nur um schnell wieder an ihre zugewiesene Position zurückzukehren. Wir hören eine fast perfekte Demonstration der Kraft von Young und Crazy Horse: die Fähigkeit, sich für wenige Augenblicke hinzugeben, um dann rechtzeitig wieder zurückzuschnappen und so die Struktur des Liedes zu bewahren.
My My / Hey Hey / Rock ’n Roll is here to stay.
Neil Young and Crazy Horse ist es gelungen, mit diesem Album in die Ruhmeshalle Walhalla einzuziehen.
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Live-Rust, Neil Young and Crazy Horse, 1978
Weiterführend → In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Hören den Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Wahrscheinlich hat selten ein Musiker die Atmosphäre einer Stadt so akkurat heraufbeschworen wie Dr. John. War David Gilmour ein Krautrocker oder ein verkappter Blueser? – Des Weiteren: Eine Sternstunde des Rock’n’Roll. Eine Betrachtung von Both Sides Now. Lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Und im Vergleich dem Lizard-King. Unterdessen begibt sich Eric Burdon auf die Spuren vom Memphis Slim. Erweiternd ein Porträt der Gorgeous Queen of Ruhrgebeat-Trash. Wir warten nach Heavy metal thunder nicht auf den Blitz, um den Göttern des Donners eine Referenz zu erweisen.