C.H. Beck

Im Delta der Lyrikverlage

Wenn in diesem bekannten Verlag auch nur spärlich Lyrik erscheint, ist C.H. Beck eine Institution, die nur schwer aus dem Lyrikbetrieb wegzudenken ist, erschien hier doch von 1995 bis 2004 das Jahrbuch der Lyrik. Christoph Buchwald und Michael Krüger verdanke ich die Entdeckung des wunderbaren Dichters Christian Saalberg: Seit ich sein Gedicht im Jahrbuch der Lyrik 2004 las, läßt diese außergewöhnliche Stimme mich nicht mehr los:

SAG MIR NICHT, wie Gedichte zu schreiben sind.
Es wäre vergeudete Zeit.

Ich habe lange gebraucht, bis ich auf meiner
aaaaaaKriechspur entdeckt habe, daß Bäume
Bäume heißen und die Türme von San Gimignano
aaaa adie Türme von San Gimignano sind.

Dann begegnete ich Steinen, weich wie Seide
aaa aaund einem Wind, von Vögeln in die Wolken
Gehoben, wo er sich bei Ebbe in den verlassenen
aaaaaNestern niederließ.

Mit diesem Wind hätte ich den Tisch schmücken
aaaaaund alle Schiffe heben können, die vor dem
Anfang der Welt in der Tiefe versunken sind.

Warum tat ich es nicht?
Warum fällt mir die Feder aus der Hand, wenn
aaaaaich schreibe, daß nur das Geschriebene

Bleibt?

Lag die Höhe der Auflage des sich in erster Linie an Insider wendenden Jahrbuchs der Lyrik wahrscheinlich bei etwa 3000, finde ich im Anhang von Jeder Atemzug für dich. Die 100 beliebtesten deutschen Liebesgedichte den Hinweis, daß „Des Sommers letzte Rosen“, ebenfalls von Dirk Ippen herausgegebene „beliebteste deutsche Gedichte“ bereits 85.000mal verkauft wurden. Na denn. Hat übrigens Spaß gemacht, die großen deutschen Liebesgedichte in dieser kompakten Form Revue passieren zu lassen. Warum nicht? Ein einziger Dichter wird meines Wissens bei C.H. Beck mit Einzeltiteln bedacht – ein großartiger: SAID. Sei Nacht zu mir (2000) und Außenhaut Binnenträume (2002) enthalten kompakte, sinnliche, pure Gedichte in wenigen Versen:

daß das licht
selbst das ungetrübte licht der kindertage
den tod absorbiert
ist nur ein gebet
ohne zuflucht

 

 

* * *

Weiterführend Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.