Thomas Suder aus Düsseldorf erhält in Anerkennung seines künstlerischen Werks das Hungertuch für Bildende Kunst 2009
Der Konflikt moderner Kunst lässt sich in zwei Sätzen resümieren: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ proklamierte Joseph Beuys. „Jeder Künstler ist ein Mensch“, entgegnet Thomas Suder. Der eine will hoch hinaus, will mit Kunst die Welt heilen, der andere viel lieber zurück auf den Teppich. Die eine Seite reklamiert Ideologie für alle, die andere Anarchie für sich selbst. Im Zeitalter der Kunst als Aktie kann man sicher sagen, dass die Person Beuys zwar berühmter, Suders Programm aber weitaus zeitgemäßer ist. Mit dem Untergang des Bürgertums verabschiedet sich die Kultur, die Entwicklung des globalisierten Kapitalismus breitet sich als kalte, hoch reflektierte, gefühllose Welt aus, die von Prinzipien der Effizienz, der Kalkulation und der Rationalisierung beherrscht wird, also in entfremdende Lebensformen mündet.
Wer wie Suder die Popmusik als Teil eines historischen Prozesses der soziokulturellen Nachkriegsdemokratisierung versteht, begreift, dass die Jugendkultur eine Neuerfindung der Nachkriegszeit war, eine romantische Idee, aber keine Warenwelt. Mit ihrem Marktwert erhielt die Jugend eine Stimme, und bis in die siebziger Jahre gab es dann kein anderes kulturelles Feld als Pop, das ein vergleichbares Versprechen auf gesellschaftlichen Wandel gemacht hätte. Die Idee des Individuums, überhaupt von Identität, Geschlecht, Sexualität, wurde wesentlich von Popmusik transportiert. Das ist perdü. Pop war das erste kulturelle Feld, das vom Demokratisierungsphänomen zur Strecke gebracht wurde. Danach kam die Mode dran, dann das Design, im Moment erleben wir den gleichen Prozess in der bildenden Kunst: der privilegierte Zugang fällt. Das Kunstwerk als sichtbare Gabe, dargereicht im symbolischen Tausch, hat die unmittelbare Evidenz einer archaischen Opferhandlung. So wird Künstler vom Medienstar zum Produzenten von Warenfetischen. Sein Auftritt verbindet mediale Allgegenwart in Fernsehen, Internet und Regenbogenpresse mit der uralten, singulären Realpräsenz auratischer Werke. Demzufolge vollführt Suders Kunst eine Zangenbewegung von Hybridität und Ursprünglichkeit.
In seinen neuen seriellen Arbeiten verwendet Suder ein bekanntes Muster, den Körper speziell für männliche Blicke darzubieten – um diese desto nachhaltiger zu enttäuschen: das berühmte Ausklappbild einschlägiger Magazine in der Mitte jeden Heftes, das angeblich Teile der amerikanischen Jugend mit der Vorstellung heranwachsen ließ, Heftklammern gehörten zur erotischen Ausstattung einer nackten Schönen. Träfe dies zu, wäre es der schlagende Beweis für die These, wonach sich der menschliche Körper längst in seine Darstellungsformen verflüchtigt habe.
Keine Fluchtpunkte sind in diesen Arbeiten auszumachen, mit dem sich dieses Wesen noch in der richtigen Welt, zwischen Einkaufszettel wohl und Coiffeurtermin, halten könnte. Wer freilich ein bisschen genauer hinschaut, findet – sozusagen als Daseins–Anker im aufgewühlten Linnen – ein Stück schwarzes Selbstauslöserkabel. Damit machte sich der Künstler selbst zum Objekt nicht so sehr der Begierde, sondern des Traumes, der Kunst. Mag diese letzte Maskerade noch so naheliegend sein, so liest sie sich doch ein bisschen wie eine Fußnote zum eigenen Werk: Auch als Künstler bin ich immer noch jemand anderes. Zur Spätmoderne gehört die Vielheit der Identitäten. Suders Bilder sind gleichsam doppelt vermittelt. Es sind Bilder über Bilder, über Bilder von erheblicher sozialer Reichweite allerdings und einem nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die gängige Wahrnehmung jeglicher Realität.