Gegenüber der oper, im Heinrichshof, hat die französische metallwarenfabrik Christofle ihre filiale. Ich muß täglich daran vorüber. Zum stehenbleiben zwingen die schaufenster nie.
Vor einem jahr geschah nun etwas besonderes. Ich wollte wieder vorüber eilen. Und da gab es mir einen ruck.
Mitten unter den silbernen tafelaufsätzen und eßbestecken – eßbestecke für leute, die essen können, nach englischem muster, und solche für leute, die nicht essen können, nach den entwürfen Olbrichs – befand sich ein pinscher in lebensgröße. Weißes porzellan, glasiert. Nur die augen und die schnauze waren gefärbt.
Mein erster gedanke war: Kopenhagen. Und ich begann mein urteil über Kopenhagen zu mildern. Diesen hund wünschte ich wohl zu besitzen. Also: es gibt künstler, die dinge in dieser art schaffen können, welche man zu besitzen wünscht. Wie heißt der künstler? Wo lebt er?
Ich ging hinein. Und frug. Da hörte ich, daß der mann vielleicht schon hundertfünfzig jahre tot sei. Es war eine kopie aus der fabrik Sèvres.
Kaufen konnte ich mir sie nicht. Aber ich blieb nun täglich bei meinem hund stehen.
So ging es ein jahr. Aber neulich wurde meine freude zu wasser. Der hund war weg. Ich ging hinein und sagte: Wo ist mein hund? Ein amerikaner hatte ihn gekauft. Aber man versprach mir, wieder einen solchen hund kommen zu lassen und in die auslage zu stellen.
Und ich hoffe, daß die amerikaner das gegenüberliegende trottoir benützen werden.
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Adolf Loos war ein österreichischer Architekt, Architekturkritiker und Kulturpublizist. Er gilt als einer der Wegbereiter der modernen Architektur. Seine bekanteste Schrift ist der Vortrag Ornament und Verbrechen (1910). Darin wird argumentiert, dass Funktionalität und Abwesenheit von Ornamenten im Sinne menschlicher Kraftersparnis ein Zeichen hoher Kulturentwicklung seien und dass der moderne Mensch wirkliche Kunst allein im Sinne der Bildenden Kunst erschaffen könne. Ornamentale Verzierungen oder andere besondere künstlerische Gestaltungsversuche an einem Gebrauchsgegenstand seien eine ebenso unangemessene wie überflüssige Arbeit.
Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.