ICH DENKE AN DIE STADT meiner Kindheit.

 

Ich bin in meinem Denken daran verloren und geborgen zugleich. Ich sehe, wie sie sich aus den feucht-grünen Wäldern und Äckern erhebt und sich an das doppelte Fließ, das sie prägt, verfügt, die Mulde, die Schwarzbach. Ein erloschener Kiesbagger steht in der Aue, am Zusammenfluß dieses Denkens – das Klacken der Steine ist das Metronom meines Erinnerns. Ich stehe darin am Lauch, der sich am stadtseitigen Ufer, an den Gerüchen des größeren Fließes, entlangbiegt, und höre das Knattern der Maschinen auf der höhergelegenen Straße, in den sich fortziehenden Weiden und Feldern, am anderen Ufer, wo es nach Wellaune geht. Es gibt Weniges, das mich so schmerzt wie der Verlust dieser Stadt. Hier hat mein Unglück, das Halbparadies meiner Anwesenheit, begonnen und ist zugleich die Möglichkeit meiner Erfüllung, meines – und wenn nur geträumten – Glücks verborgen bis zum heutigen Tag. Deshalb kehre ich immer wieder in den Gedanken einer Rückkehr in die Stadt meiner Kindheit zurück: ich empfinde diesen Satz ebenso doppelt, wie ich ihn sage und denke. Ich bin nichts ohne diesen Gedanken.

 

 

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In seinen neuen Gedichten, die den Nachfolger seines 2007er Bandes Löwenpanneau bilden, sieht man André Schinkel mit der Vertiefung seiner poetischen Sichten befasst. Die Texte von Bodenkunde entstanden in einer bewegten Phase des Autors und sprechen über den Zweifel an der und die Hoffnung auf die Liebe, sie reden in Amouren und Rondellen über die Schönheit und den Schrecken der Welt, ihrer Gegenwart als zu entdeckendes Paradies, berichten von inneren wie äußeren Reisen, Gestirnen, vom Licht und der Sehnsucht. Lesen Sie auch das KUNO-Porträt des Lyrikers André Schinkel.

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Poesie ist das identitätsstiftende Element der Kultur, KUNOs poetologische Positionsbestimmung.