Wasser mit Geschmack

 

Nach dem Sport braucht der Mensch beizeiten eine Entspannung. Völlige geistige Ruhe. Der Körper soll aufgetankt werden mit neuer Energie, geschützt vor den Fährnissen der Umwelt. Was kann einem bei den winterlichen Temperaturen nicht alles passieren. Da rutscht versehentlich das im Trockner geschrumpfte T-Shirt aus der Hose und schon liegt die Nierengegend frei, jeder kennt die zwangsläufigen Folgen. Da wird man angestoßen, während man in aller Eile in der Stadt einen „Kaffee zum Gehen“ trinkt, alle Klamotten werden nass und am nächsten Tag hat man die dickste Erkältung, wenn nicht sogar (hier muss strengen Blicks der Zeigefinger erhoben werden) eine schwere und fürchterliche Lungenentzündung. An die verheerenden Folgen mag man gar nicht denken. Wochenlang müsste man das Bett hüten, würde sich sozial völlig von allen und allem abkapseln. Es käme einer Isolationshaft gleich. Ein entspannender Abhärtungsprozess also muss her, bei dem die Seele ihre Mitte finden kann. Nein, der letzte Halbsatz sollte eigentlich gestrichen werden, hört sich zu esoterisch an.

Günstig dann, wenn die Sauna nicht allzu weit entfernt vom Ort der sportlichen Betätigung liegt. Immerhin wird solcher Art Freizeitbetätigung inzwischen allerorten als „Allesdrin-Paket“ angeboten. Glücklicherweise nicht von allen genutzt, sonst würde es manches Mal eng in den überhitzten Bretterverschlägen. Selbst der Spruch „Platz ist in der kleinsten Hütte“ hätte sich irgendwann dann verbraucht. Man duscht also warm und weiß, dass die nächsten fünfzehn bis zwanzig Minuten (Siehe „Erhobener Zeigefinger“: Nur für sehr erprobte Saunagänger) in Ruhe und mit äußerst heißer Luft verlaufen. Herr Nipp hatte an diesem Tag durchaus viel Glück, der gesamte Saunabereich war leer. Keine sich schwatzend unterhaltenden Männer- und Frauengruppen, nicht einmal Einzelgäste waren auszumachen, kein Liegestuhl belegt, keine Tasche zu sehen. Absolute Ruhe herrschte, keine lautstarken Gespräche über die vielen F-Themen unserer Zeit: Fußball, Fernsehen, Fressen, Frauen, Ferien auf Malle, Fett, Funktionskleidung, Freizeitshoppen – und ein anderes. Niemals hatte man gehört, dass sich Menschen über solche Themen, wie Ausstellungen und Theaterbesuche unterhielten, über Oper und Erzählkino, Bilder, Bücher, Philosophie, Ausstattung barocker Kirchen, Orgonakkumulatoren, Grundgesetze der Physik, Genmutationen, Artenvarianz der Grashüpfer in Afrika, mathematische Gleichungen und deren Beweise. Die beiden Tücher wurden sorgsam ausgebreitet (Zeigefinger: „Kein Schweiß aufs Holz“), ein kleineres Handtuch, ein großer Badeschal. So konnte er sich ausstrecken und vor sich hin dämmern. Kaum zwei Minuten hatte er in Ruhe gelegen, ging die Tür auf und ein überaus attraktiver und freundlicher Herr kam hinzu. „Darf ich wohl einen Aufguss machen?“ „Ja natürlich, aber bitte mit Geschmack.“

 

 

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Weiterführend → 

Zu einem begehrten Sammlerstück hat sich die Totholzausgabe von Herrn Nipps Die Angst perfekter Schwiegersöhne entwickelt. Außerdem belegt sein Taschenbuch Unerhörte Möglichkeiten, daß man keinen Falken mehr verzehren muss, um novellistisch tätig zu sein. Herr Nipp dampft die Gattung der Novelle konsequent zu Twitteratur ein. Und außerdem präsentiert Haimo Hieronymus die bibliophile Kostbarkeit Über Heblichkeiten, Floskeln und andere Ausrutscher aus den Notizbüchern des Herrn Nipp.

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.

Diese bibliophile Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421