Psüchodelisch

„Syd was a major inspiration for me. The few times I saw him perform in London at UFO and the Marquee clubs during the ’60s will forever be etched in my mind. He was so charismatic and such a startlingly original songwriter.“

David Bowie

Es ist David Gilmour zu verdanken, dass wir dank seiner Grubenlampe ein Licht in einen Bergwerkschacht der Rockgeschichte mit An Introduction to Syd Barrett  erhalten. So ist ein Querschnitt entstanden, der von den ersten drei Singles der frühen Floyds mit dem Solowerk des Musikers sinnfällig verschränkt. Wir erhalten auf diese Weise einen Höreindruck eines ganz speziellen englischen Humors, geprägt durch Psychedelic- und Progressive-Rock-Elemente. Diese Zusammenstellung beginnt mit der Single Arnold Layne, einem Song, der originell und überzeugend genug war, um Pink Floyd (damals „The“ Pink Floyd genannt und von Barrett nach den halbwegs unbekannten Bluesmusikern Pink Anderson und Floyd Council benannt) ein Angebot von EMI zu verschaffen. Die Single – die in Großbritannien auf Platz 20 landete – über einen sich als Frau verkleidenden Wäscheleinendieb überrascht noch immer mit ihrem Witz, ihrer Poesie („doors bang / chain gang“) und ihrem unverschämten Finger ins Auge der zugeknöpften britischen Sensibilität („takes two to know“). Diese glitzernden Schreie kommen auf der Single Apples and Oranges voll zur Geltung und verleihen ihr gerade genug schrullige Note, um ihr den typischen Floyd-Sound zu verleihen (und das „quack quack“ nach der Zeile „feeding ducks in the afternoon tide“ – eine Ausschmückung von Barrett).

Auch die Nachfolgesingle See Emily Play, beeindruckt mit ihren wechselnden Tempi, beschleunigten Klavieren, Rückwärtsaufnahmen und Technicolor-Trippiness einen authentischen englischen Kontrapunkt zu den hipperen und differenteren Flower-Power-Singles bietet, die 1967 in den usa herausgebracht wurden. Die Stücke, Chapter 24, Bike und ein Remix von Matilda Mother (eine frühe Version mit anderem Text) bieten einen angemessenen Überblick über den Psychedelic Rock.

Ich habe mein Gehirn komplett tätowiert.

Syd Barrett

Bei den Solo-Stücken hören wir Barretts Stimme zu Beginn der Aufnahmen, die seinen Humor unterstreichen und herausstellen, dass er den Rockzirkus nicht allzu ernst nimmt. Auf Here I Go hat David Gilmour einige zusätzliche Bassparts gespielt, um den alten Freund zu ehren. Die Songs von reichen vom hypnotischen Terrapin, das nur eine Akustikgitarre und Barretts unnachahmliches Gesäusel enthält, bis zum fast unerträglich rohen „If It’s in You“ (letzteres wird wahrscheinlich entweder majestätisch oder wie Fingernägel auf einer Tafel klingen, es gibt kaum eine Chance für einen Mittelweg). Das schwungvolle Love You kommt der Laune von 1967 nahe, und She Took a Long Cool Look macht dort weiter, wo Jugband Blues aufgehört hat, wobei die klagende Sehnsucht durch eine frostige Resignation ersetzt wird.

Die beiden Highlights bleiben Dark Globe und Octopus, und beide verdienen eine genauere Betrachtung. Letzteres könnte man als trügerisch optimistischen Ausflug in den Rachen (oder Geist?) des Wahnsinns beschreiben. Non Sequiturs und Bewusstseinsströme verbinden sich mit der schwungvollen Musik, um den Zuhörer auf eine geführte Tour durch Barretts tätowiertes Gehirn mitzunehmen, wo „der Verrückte den Mann an der Grenze auslachte“. Insbesondere zwei Verse lassen wenig der Fantasie überlassen, und man erkennt, dass Barrett, zumindest wenn er wollte oder konnte, die vollständige Kontrolle über seine Fähigkeiten hatte:

Ist es nicht schön, sich im Wald zu verlieren?

Ist es nicht schlimm, so still dort im Wald zu sein, bedeutete mir noch weniger, als ich dachte …

Die Winde wehten und die Blätter wehten

Sie werden mich nie in ihre Tasche stecken.

„Dark Globe“ ist wie ein Mann, der einen Nachruf auf die Person singt, die er einmal war und die er geworden ist. Es ist eine bemerkenswerte Leistung und bleibt unerträglich ergreifend: „Please lift a hand / I’m only a person“ und „Would’t you miss me at all?“ So schwer es auch ist, diese Worte zu hören, man fragt sich, wie es für anderen Musiker im Studio angehört haben mag. „Gigolo Aunt“ und „Effervescing Elephant“, zeigen, dass Wortspiel und Humor noch intakt und gefühlvoll waren. Man denke nur an das urkomische „Bob Dylan Blues“, in dem Barrett his Bobness auf die Schippe nimmt, indem er sich über seine viel zu einfachen Reimschemata und seine Spur von Selbstgerechtigkeit lustig macht: „Weil ich ein Dichter bin, weißt du das nicht? / Und der Wind, du kannst ihn wegblasen!“).

An Introduction to Syd Barrett belegt, dass es in der Nachbetrachtung nicht immer um Ruhm und künstlerische Unsterblichkeit geht, sondern um etwas ungleich banaleres, einfach aufhören zu können.

I Know Where Syd Barrett Lives

Television Personalities

Für die Erfolgsgesellschaft ist es scheinbar unerträglich, wenn sich jemand aus ihr zurückzieht, und ein einfaches und weitestgehend selbstbestimmtes Lebens führt. Barrett ist nicht Mitglied des „Club 27“ geworden. Er hat sich für mehr als dreißig Jahre in eine selbst auferlegte Abgeschiedenheit an den Fluss Cam in Mittelengland zurückgezogen und ein abseitiges Leben geführt. Nach seiner Zeit in einer Rockband war er bis zu seinem Tod im Jahr 2006 als leidenschaftlicher Gärtner tätig.

 

 

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An Introduction to Syd Barrett wurde am 4. Oktober 2010 der Öffentlich preisgegeben. Das Album enthält als Freundschaftsdienst eine Reihe neuer Remaster und Remixe, die von David Gilmour ediert wurden.

Weiterführend  Auch Dan Treacy von den Television Personalities ist ein Musterbeispiel für schmuddeligen, abgewetzten Außenseiter-Pop. Die Redaktion fragt sich: Ist David Gilmour ein verkappter Blueser?