Schlaglichter

 

Zweimal in einer Woche in besagten Wildwald zu fahren, spricht entweder von extremer Neugier auf die Natur oder die naturpädagogischen Programme, zeigt, dass man eine Jahreskarte hat oder aber eine Freikarte. Es könnte natürlich auch sein, dass etwas ganz Besonderes geboten wird. Diesmal ein ganzes Wochenende nachts beleuchteter Wald, sehr poetisch wird man einen Pfad geführt, zunächst mit Veranstaltung, Konzert, klar, ohne Krach geht gar nichts. Das will nicht heißen, dass die beiden Queeninterpreten nicht ihre Qualitäten hatten. Kurzer Aufenthalt, drei Lieder, nein Hymnen einer anderen Zeit. Für viele immer noch präsent, nie vergänglich, man muss nur früh und tragisch genug sterben als großer Künstler, um für immer im Gedächtnis haften zu bleiben, damit aktuell. Den Pfad entlang, illuminierte Ziegen zunächst, dann Schafe und Schweine, andere Tiere zum Glück nicht. Die Bäume, die Waldlandschaft wurde in Szene gesetzt, mal sehr effektvoll, mal verträumt oder gar mystisch, an drei weiteren Stellen im Wald empfängt Musik.

Auf einem kleinen Teich treibt einsam ein längerhaariger junger Mann in einem Boot, ist mit einer Blockflöte bewaffnet und entlockt dieser zauberhafte Klänge, mal klassische Melodien oder Volksweisen oder auch schöne Filmmusik („Fluch der Karibik“ kann im Wald sehr schön sein). Das Ganze wirkt entrückt, wie aus einer anderen Welt, die Zuschauer sind völlig irritiert und begeistert. Danach Lichtspiele in den Bäumen, eigentlich unglaublich. Moderne LED-Technik macht es möglich.

An der nächsten Station kann man selbstgemachte Lichter in einen weiteren Teich setzen. Leider ist so viel Laub an den Rändern, dass die Lichter nicht heraus schwimmen. Egal, die Idee zählt und viele machen mit, schreiben ihre Gedanken und Wünsche auf und los geht es. Dann eine Harfenistin, verträumt und Elbengleich, zuletzt eine Harfe erleben dürfen? Allgemeine Bewunderung über die Fingerfertigkeiten (und wahrscheinlich über ihre feine Schönheit).

Hundertfünfzig Meter weiter lehnt ein Geiger an einem Baumstumpf und fiedelt sich völlig selbstvergessen die Seele aus dem Leib, auch er jung, aber nicht langhaarig. könnte fast ein Bruder des Flötenspielers sein, Familienangelegenheiten. Danke euch. Zwischendurch lächelt er, weiß doch um sein Publikum, man fühlt sich an den Eichendorffschen Taugenichts erinnert, der die Welt mit seiner Geige poetisiert. Wenn nicht taugen so schön sein kann, dann wollen wir das doch alle.

Langsam hat sich die Kälte in die Knochen geschlichen, diese frühlingshaften Nachttemperaturen schleichen sich ein und setzen sich gemein fest. Man geht langsam zum Ausgang. Allgemeine Zustimmung, dass dies ein tolles Erlebnis war. Nur eine Stimme fragt leise, ob das den dort lebenden Tieren wohl auch gefällt.

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Seit 1994 veröffentlich Herr Nipp auf KUNO unerhörte Geschichten mit dem Titel Das Mittelmaß der Welt. In 2011 ist es soweit, sein erstes Buch mit dem Titel Die Angst perfekter Schwiegersöhne erscheint in der Edition Das Labor.

Haimo Hieronymus ist ein Poet, wenn er Holzschnitte erstellt, und ein realistischer Träumer, wenn er mit Herrn Nipp kurze Texte verfaßt. Wie ein Dichter schreibt er nicht, dazu ist er zu nüchtern und zu lapidar; die Fiktion ist nicht seine Sache, es entstehen auch keine imaginären Welten. Die Wirklichkeit und die Erinnerung sind ihm rätselhaft genug. Herr Nipp betreibt das einfache, das wahre Abschreiben der Welt, er bewegt sich damit zwischen Ereignis und Reflexion und nähert sich einer Topografie der Melancholie. – Ein Sammlerstück ist die Vorzugsausgabe von Die Angst perfekter Schwiegersöhne. Hieronymus hat das Cover einer limitierten Auflage mit einem Holzschnitt versehen.

Weiterführend → 

Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Papier ist autonomes Kunstmaterial, daher ein vertiefendes Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421

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