Die Untoten sind – lebendig!

Der Begriff Zombie leitet sich von dem Wort nzùmbe aus der in Nord-Angola beheimateten Bantusprache Kimbundu ab. Er bezeichnete dort ursprünglich einen Totengeist, eine Bedeutung, die das im Kreolischen gebräuchliche Wort zonbi (gesprochen zombi) in Haiti noch besitzt.

Zombies, der Titel verspricht uns Erzählungen. Erfahren darf man literarische Kompositionen. Das Studium der Partitur der adressierten Hypermoderne führt uns durch diverse Abgründe menschlichen Daseins, die Empfindungshorizonte der Innerlichkeitsarmut über Anknüpfungspunkte der Triebe bis hin zum Umgang mit dem Sein, Werden und Gewesensein – und der zum Teil verzweifelten Suche der Pro- und Antagonisten nach einem Sinn darin.

A. J. Weigoni schafft es dabei souverän mit minimalistischem Werkzeug – zum Teil am Rande des Poetischen – Figuren eine besondere Art von Leben einzuhauchen. Obwohl sie dieses zum Teil bereits verlassen haben, in der Abwesenheit einer realistischen Hoffnung. Dabei zeichnet er seine Charaktere mit schnellen, kräftigen Strichen, ohne sie dabei profan zu penetrieren. Man nähert sich an. Fliegt vorbei und lässt sich nieder. Beobachtet.

Man ist Gast in einer seelenlosen Landschaft der Moderne, in der sich die Menschlichkeit meist in vertrauten Abgründen äußert. Diese, an denen man steht, in welche man gestoßen wird oder sich fallen lässt. Dabei ist das Scheitern an den Alltagshürden geprägt vom Selbst- oder Fremdbetrug. Das Sich-Maskieren des Menschen von heute wird überaus facettenreich durchdekliniert. Wir scheinen mit den Szenerien und Geschehnissen vertraut zu sein, und doch sind sie neu.

Dabei geht es doch nicht um Trostlosigkeit! Erstaunlich ist doch eher die Widerstandsfähigkeit der Akteure im Angesicht der bereits im Klappentext adressierten globalen Niedergangsstimmung.

Wir sind in den Geschichten Gast der Moderne, welche ihren moralischen Horizont erst aus dem Erfahrungsspektrum des Gewesenen neu definieren muss. Diese Möglichkeit sublimiert aus den Texten.

Hoffnungen sind im Gegensatz zum eindrucksvoll dargestellten Kaleidoskop des allgemeinen Scheiterns ein Privileg des Lesers – auch für den Fall, das es sich mal um einen Zombie handelt.

 

 

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Zombies, Erzählungen von A. J. Weigoni, Edition Das La­bor, Mülheim an der Ruhr 2010.

Coverphoto: Anja Roth

Weiterfühend → KUNO übernimmt einen Artikel von Karl Feldkamp aus Neue Rheinische Zeitung und von Jo Weiß von fixpoetry. Enrik Lauer stellt den Band unter Kanonverdacht. Betty Davis sieht darin die Gegenwartslage der Literatur, Margaretha Schnarhelt kennt den Ausgangspunkt und Constanze Schmidt erkennt literarische Polaroids. Holger Benkel beobachtet Kleine Dämonen auf Tour. Ein Essay über Unlust am Leben, Angst vor’m Tod.