Die Vielgesichtigkeit der Arbeiten von Charlotte Kons läßt staunen. Man möchte es Louis Jacques Mandé Daguerre gleichtun, dieser reichte bei öffentlichen Präsentationen seiner Daguerreotypien Vergrößerungsgläser herum, um das Staunen über die Detailtreue dieser Bilder anzuheizen. Die Photos zu „Keine Einsicht ohne R(h)einsicht“ bilden einen Kontrapunkt jenseits der von den Polen Form und Inhalt abgesteckten Fläche, in der diese Künstlerin sonst operiert. Kons stellt eine weit verbreitete Vorstellung von Photografie in Frage: Als ein Spiegel der Wirklichkeit gibt sie wieder, was einmal tatsächlich so gewesen ist. Diese Artistin variiert ihre künstlerische Positionen mit starker Geste: die Flüchtigkeit aller Dinge. Die Assoziationen im Kopf des Betrachters angesichts dieser Ambivalenzen verselbständigen sich.
Ihre Photos zu „Keine Einsicht ohne R(h)einsicht” bewegen sich zwischen einem rheinischen Formalismus und persönlich gehaltenen Serien. Es entsteht ein Feld, das man angesichts seiner Nüchternheit, wenn nicht gar Leere, nur mit Zögern ein Bild nennen möchte. Kons erbringt mit dem Einblick in ihr aktuelles Forschungslabor den Beweis für die Lebendigkeit ihres Werks. Ihre Bilder reflektierten mit dokumentarischer Coolness eine postmoderne, dem ökonomischem Kalkül völlig unterworfene Lebenswelt, dabei geht es nicht um Beanstandung, sondern um Bestandsaufnahme. Dies verleiht ihren Aufnahmen die Aura und das poetische Pathos. Photografische Wirklichkeit muß mit allem was daraus folgt, auf dem Adjektiv betont werden. All diese Bilder sind dazu gemacht, unseren Blick auf hintersinnige Weise zu verführen und hierbei den Glauben an eine ins Bild getretene Wirklichkeit grundlegend zu irritieren. Vor allem erscheinen sie als Aufforderung, beim Betrachten der Photografie doch noch einmal ein Vergrößerungsglas zur Hand zu nehmen.
***
Keine Einsicht ohne R(h)einsicht von Charlotte Kons, mit Joachim Paul
Rheintor, Linz – Anno Domini 2011, Edition Das Labor 2011. – Limitierte und handsignierte Auflage von 100 Exemplaren. – Dem Exemplar 1 – 50 liegt ein Holzschnitt von Haimo Hieronymus bei.
Weiterführend →
Bei KUNO präsentieren wir Essays über den Zwischenraum von Denken und Dichten, wobei das Denken von der Sprache kaum zu lösen ist. Einen Essay zur Rheintorreihe finden Sie hier.
→ Lesen Sie auch KUNOs Hommage an die Gattung des Essays.