DER ALTTAGSDICHTER

(für) Hugo Schanovsky

 

fast täglich

bekomme ich botschaften von ihm

in form von gedichten und bildern

die zeigen wie sehr die welt in ihn

eindringt ihn beschäftigt und fordert

in ihm spuren hinterläßt denen er folgt

die er wieder nach außen transportiert

als meinungsäußerung durch kommentare

immer geht es bei alledem um den menschen

um seinen mißbrauch durch die mächtigen

durch die potentaten durch gewaltherrscher

durch jene die menschen zu untertanen machen

die sie ausbeuten erniedrigen foltern und töten

es geht um die ungerechte Verteilung der güter

dieser welt um armut und wohlstand um krieg

die weiße friedenstaube von pablo picasso hält

den ölzweig in ihrem schnabel aber sie fliegt

ins niemandsland bringt keinen frieden sie ist nur

symbol kein statussymbol wie die luxuslimousinen

in denen hinter dunklem Panzerglas jene sitzen

die über alle anderen menschen drüberfahren

verborgen anderswo die frauen unter ihren burkas

die frauen im schwarzen tschador mit sehschlitzen

und die selbstmordattentäter diese wahnsinnigen

die zur lobpreisung ihres gottes sinnlos töten

die unschuldigen liegen ohne arme ohne beine

mit offenem bauch noch zuckend in ihrem blut

schlag zu schlag zu ermuntert ein folterknecht

einen andern schlag zu bis er schreit und gesteht

alles gesteht was man will und dann verstummt

weil er stirbt und die lady läßt sich fotografieren

vor dem gefolterten zerrt ihn wie einen hund

an einer kette schleift ihn über den boden und

grinst dabei obszön in die kamera welch ein sieg

und nachts hört man die schreie der gefolterten

doch dann ist es still nur das neonlicht brennt

es brennt tag und nacht ein wasserhahn tropft

der gekreuzigte hängt wachsbleich am kreuz

und budda lächelt stets freundlich vor sich hin

militärparaden huldigungen diktatoren salutieren

und das volk jubelt schwenkt fröhlich fähnchen

wehe man tut das nicht wehe man ist nicht dabei

dann kommen sie irgendwann und holen dich ab

niemand sieht dich je wieder du verschwindest

du verschwindest aus dem blickfeld aus der welt

flugzeuge panzer raketen kanonen gewehre krieg

der gehenkte baumelt hoch oben auf einem kran

die mullahs lächeln der papst segnet urbi et orbi

wir essen schweinsbraten und knödel trinken ein bier

auf den bildschirmen der computer informationen

an den börsen wird spekuliert wird profit gemacht

der unsichtbare kapitalismus ist nur mehr in zahlen

in flüchtlingslagern hunderttausende menschen

vegetieren in schmutz und hoffnungslosigkeit

politiker lächeln sagen alles sei nicht so schlimm

die krise bewältigt souverän gemeistert dank ihnen

also wieder konsum anhebung der wachstumsraten

auszahlung von millionen für zielführendes lobbing

schönheiten auf laufstegen behinderte im rollstuhl

die einen fahren ferraris die andern gehen am stock

in den spitälern auf den gängen liegen die menschen

kein bett frei sagt die frau oberschwester bedauernd

kinderbanden mit messern bedrohen schlagen zu

denken sich nichts dabei alles nur aus langeweile

den busen herausgedrückt der kamera entgegen

das höschen blitzt unter dem mini paris hilton

die lady gaga redet von kunst alle sei nur theater

der klimawandel die erderwärmung alles egal

der regenwald abgeholzt die bohrinsel brennt

das öl fließt ins meer millionen tonnen von öl

fließen ins meer die fische und die vögel sterben

alles verseucht das wasser die erde die luft egal

hauptsache wir haben wachstumszuwachs profit

die mutter theresa tröstet in bombay die armen

die liegen krank am straßenrand haben nichts

außer armut außer krankheit sterben und tod

kinder lachen spielen fußball arbeiten im akkord

sie haben traurige augen und blutende hände

sehr chick ist die schuluniform im eliteinternat

die anderen kinder haben nur lumpen stochern

am rande der großstadt im stinkenden müll herum

hausen in hütten eine sturmflut schwemmt sie fort

bis zum hals dann im wasser ein bündel auf dem kopf

erdbebenopfer tote unter den trümmern alles zerstört

die reichen in ihrem palästen im penthouse

irgendwo lagert das geld lagert das gold

die aktien steigen sie trinken und feiern

bis spät in die nacht wir sind die sieger

sagt einer besoffen wir sind die sieger

uns geht es gut scheiß auf die welt

 

 

 

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Wiplinger Peter Paul 2013, Photo: Margit Hahn

Weiterführend → KUNO schätzt dieses Geflecht aus Perspektiven und Eindrücken. Weitere Auskünfte gibt der Autor im Epilog zu den Schriftstellerbegegnungen.

Die Kulturnotizen (KUNO) setzen die Reihe Kollegengespräche in loser Folge ab 2011 fort. So z.B. mit dem vertiefenden Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier. Druck und Papier, manche Traditionen gehen eben nicht verloren.

Hugo Schanovsky (1927-2014) war ein österreichischer Autor und Politiker und von 1984 bis 1988 Linzer Bürgermeister.