Für mich sind nur die Gegenden schön, welche man gewöhnlich rau und wild nennt; denn nur diese sind erhaben, nur erhabene Gegenden können schön sein, nur diese erregen den Gedanken der Natur. […] Nichts aber vermag den Eindruck so zu verschönern und zu verstärken als die Spuren menschlicher Kühnheit an den Ruinen der Natur, kühne Burgen auf wilden Felsen.
Friedrich Schlegel
Auf der Kavalierstour, einer Bildungsfahrt junger Adeliger, haben die britischen Jungmänner einst auch in Linz am Rhein einen Halt eingelegt. Sie sind somit die eigentlichen Erfinder der Rheinromantik. Diese spezielle rheinische Form der Romantik fand in allen Kunstgattungen ihren Ausdruck: von Literatur und Musik, über Malerei und Architektur, bis hin zur Lieddichtung.
Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.
Heinrich Heine
„Das ist eine Gegend wie ein Dichtertraum, und die üppigste Phantasie kann sich nichts Schöneres erdenken“, so beschrieb Heinrich von Kleist das Rheintal, durch das sich der „heilige Strom“ in vielen Windungen seinen Weg bahnt. Künstler formulierten einen poetischer Gegenentwurf zur adeligen Gesellschaft. Friedrich Schlegel thematisiert einerseits die zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch als wild und schroff empfundene Natur des engen Flusstals, andererseits die heiter erscheinenden Weinberge und das reiche kulturhistorische Erbe des Rheinlands zwischen Rüdesheim und Xanten, mit seinen Legenden und den zahlreichen mittelalterlichen Städten und Burgen. Der durch Rationalismus und die Industrialisierung geprägten Moderne setzte das romantische Jeföhl eine weitgehend verklärte, vermeintlich heile Vergangenheit entgegen und trug seit der Besetzung des linken Rheinufers durch das nachrevolutionäre Frankreich zur Herausbildung sowohl einer rheinischen Identität und des Bewusstseins einer rheinischen Landschaft als auch eines gesamtdeutschen Nationalbewusstseins bei. Die nationalistische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts verfälscht die wahren Impulse von Klassik und Romantik und deutet sie im Namen von Volk, Rasse, Sprache oder politischer Schicksalsgemeinschaft um.
Trotz alledem und alledem,
Trotz Dummheit, List und alledem,
Wir wissen doch: die Menschlichkeit
Behält den Sieg trotz alledem!
Ferdinand Freiligrath
Da Linz am Rhein weitestgehend vom Bombenhagel im 2. Weltkrieg verschont geblieben ist, ist viel vom charakteristischen Fachwerk erhalten geblieben. Da diese Handwerk in dieser Stadt sehr Farbenfroh gestaltet ist, erhielt sie den Beinamen: ´Bunte Stadt am Rhein`. Vom Stadtmarketing wird sie so beschrieben: „Verträumte Winkel und Gassen, farbenfrohe Fachwerkbauten, gemütliche Plätze, rheinischer Frohsinn, lebendig gehaltene Traditionen.“ Inzwischen ist in der Stadt auf der Sonnenseite des Rheins ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm dazugekommen. Vor allem der Zusammenhalt und das Engagement der Linzer Gemeinschaft, das Ursprüngliche und die langjährigen Traditionen machen Linz zu einem ganz besonderen Ort. Und damit unterreibt die Rheintouristik nicht. Die Rheinromantik ist tief verwurzelt im rheinischen Gemüt, die künstlerische Auseinandersetzung mit Land und Leuten hat nicht aufgehört.
Die Trennung von Natur und Kultur überwinden.
Romantik ist eine Überforderung durch Eindrücke. Auf dem Weg in die postpostmoderne Gegenwart findet sich in Linz am Rhein eine Art von Spätromantik. Es ist bemerkenswert, wie viele Künstlerinnen und Künstler seit dem Vormärz in Linz am Rhein gelebt und gearbeitet haben. Die Geisteshaltung der Künstler seit der Romantik bewegt sich zwischen Sentiment und Rationalität. Maler, Bildhauer und Grafiker haben auch in den letzten Jahrzehnten Kunstwerke geschaffen, die bis heute in öffentlichen und privaten Sammlungen in Linz, aber auch weit darüber hinaus, Zeugnis für die Kreativität dieser Stadt und des Rheinlandes abgeben. findet. Regelmäßig erinnert der Kunstverein an diese Künstler. Stellvertretend seinen genannt: Otto Cornelius (Maler), Hans-Günter Göbel (Maler), Heinrich Gogarten (Maler), Bernhard Hofer (Maler und Grafiker), Joseph von Keller (Kupferstecher), Norbert Kersting (Maler), Johann Martin Niederée (Maler), Waltraud Markmann-Kawinski (Malerin und Grafikerin), Peter Meilchen (Maler, Fotograf), Edith Oellers-Teuber (Malerin) und Günther Oellers (Bildhauer). Was diese Nachfolgenden schaffen, ist keine Angelegenheit von tragischer Romantik und transzendentaler Erhabenheit; romantische Unschärfe zieht sich durch diese Kunst als Flow von Klarheit und Leichtigkeit durch ihre besten Arbeiten.
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Rheintor, Linz – Anno Domini 2011, Edition Das Labor 2011. – Limitierte und handsignierte Auflage von 100 Exemplaren. – Dem Exemplar 1 – 50 liegt ein Holzschnitt von Haimo Hieronymus bei.
Weiterführend → Bei KUNO präsentieren wir Essays über den Zwischenraum von Denken und Dichten, wobei das Denken von der Sprache kaum zu lösen ist. Einen Essay zur Rheintorreihe finden Sie hier.
→ Lesen Sie auch KUNOs Hommage an die Gattung des Essays.