Ein Cranger-Cirmes-Crimi

Vor 10 Jahren erschien der richtige Crimi zur falschen Zeit

Barbara Ester und A.J. Weigoni geben der Sprache der Straße im 21. Jahrhundert eine künstlerische Form. Sie siedeln ihren Gossenroman auf der Cranger Kirmes in einem hysterischen Trubel an und legen den Figuren Sätze von souveräner Größe und selbstreferentieller Leere in den Mund. Die Protagonisten in Massaker drängen sich nicht auf. Sie sind Geschöpfe, die durch den Text geistern, schemenhaft teilweise, um dann mit brachialer Gewalt eine Präsenz zu erreichen, die das Erträgliche der Normalität sprengt.

Diese Figuren verunsichern und stehen immer kontrastreich zur bunten Vielfalt der Kirmes. Bewusst stellen sich Barbara Ester und A.J. Weigoni in die Tradition der hard-boiled school, die in den 1920-er Jahren mit dem Black Mask Magazine, einem amerikanischen Groschenheft, ihr Publikum fand.

Barbara Ester und A.J. Weigoni spitzen auf ihre Weise zu, daß Banalität zunehmend das Maß des Alltäglichen wird, legen mit ihren Formulierungen die brutalen Implikationen des Normalen frei. Ihre Sprache ist immer an der Grenze zum Erträglichen; überschritten wird diese Grenze nicht. Poesie und Härte, Abscheu und Einfühlsamkeit fassen sie zu einer ungewohnten Einheit zusammen. Das schafft Aufmerksamkeit, ist allerdings keine Effekthascherei.

Die Hauptfigur Jacqueline erscheint als klassisches Motiv der männermordenden Hexe, gefährlich wie Tollkirschen und verführerisch wie Lulu. Sie ist der Würgeengel des Mannes, zugleich selber dem Untergang geweiht. Dabei vereinigt Jackie tödliche Naivität, seelische Verwilderung und heilige Sünde. Barbara Ester und A.J. Weigoni hätten keinen besseren Ort für sie als die Cranger Kirmes aussuchen können.

Als Tag für die Vorstellung dieses Krimis war der 11. September 2001 vorgesehen. Da dieses Gossenheft vergriffen ist und – wie die anderen Gossenhafte zu überteuerten Preisen im sogenannten modernen Antiquariat gehandelt werden – können Sie es als Fortsetzungsroman auf KUNO nachlesen.

 

 

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Jaguar, Neo-Noir-Novelle von A.J. Weigoni, Krash-Verlag 1989

Monster, Stories von A.J. Weigoni, Krash-Verlag 1990

Massaker, ein Cranger-Cirmes-Crimi von Barbara Ester und A.J. Weigoni, Krash-Verlag 2001

Diese Gossenhefte sind längst vergriffen und werden unter Sammlern für Preise um 20,- Euro gehandelt. Die sorgsam edierten Erzählungen und Novellen von A.J. Weigoni sind in einer Werkedition im Schuber erhältlich:

Zombies, Erzählungen von A. J. Weigoni, Edition Das La­bor, Mülheim an der Ruhr 2010.

Cyberspasz, a real virtuality, Novellen von A. J. Weigoni, Edi­tion Das Labor, Mülheim an der Ruhr, erscheint in 2012.

Weigoni-Porträt: Anja Roth

Weiterführend →

In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen. Der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Dem Begriff Trash haftet der Hauch der Verruchtheit und des Nonkonformismus an. In Musik, Kunst oder Film gilt Trash als Bewegung, die im Klandestinen stattfindet und an der nur ein exklusiver Kreis nonkonformistischer Aussenseiter partizipiert. Lesen Sie auch das Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit dem echten Bastei Lübbe-Autor Dieter Walter. Eine Würdigung von Massaker durch Betty Davis lesen Sie hier. Die Hörfassung unter dem Titel Blutrausch hören Sie in der Reihe MetaPhon.