Als Schirmherr wird eine Persönlichkeit oder eine Organisation bezeichnet, die mit ihrem Namen eine Veranstaltung oder eine gemeinnützige Organisation unterstützt. Wenn jedoch Schirmfrauen die tragbare Bedachung in die Hand nehmen, kommt etwas gänzlich anderes dabei heraus.
Die raumbezogene Videoinstallation von Katja Butt verwandelte die statische Architektur des Ausstellungsraums im Rheintor in ein dynamisches mediales Gefüge, in dem Außen und Innen, Oben und Unten, Gestern und Heute zu einer Einheit wurden. Ein eindringliches minimalistisches Videobild wurde zu rhythmisch strukturierten Sequenzen komponiert, die sich über einen Monitor hinweg zu einem geschlossenen Ablauf verbinden. Der Monitor funktioniert als gestalterisches Element und jenseits einer untergeordneten Funktion als neutraler Rahmen der Begrenzung eines Bildfeldes. In der Präsentation verschmelzen Raum, Bild und pointiert gesetzte Akustik zu einer neuen Dimension, zu einem eigenständigen Körper, dessen einzelne Bestandteile voneinander abhängig sind und sich gegenseitig beeinflussen. Am Ende bleibt die Kamera im wahrsten Sinne des Wortes ein Werkzeug, ein Instrument, das man beherrschen muß, um mit ihm Sinnlichkeit darzustellen.
Butts Kunst fordert den Betrachter heraus, mehr von dem, was er sieht, auch ernst zu nehmen. Wir leben in einer bilderreichen Zeit und lassen uns von einer Pixelflut durch die Tage schwemmen. Die Skulpturistin, Videokünstlerin, Zeichnerin und Photographin Butt befragt die umbaute Bewegung in einem Akt der Dissidenz und bringt damit Bewegung in die starre Architektur. Transformation, lautet das Stichwort. Der Eros der Kunst von Butt liegt in der Biologie der Existenz: der puren Freude und der Lust an Fleisch und Geist. Es verbleiben Pfeile mit Widerhaken, die im Gedächtnis des Betrachters verankern.
Bemerkenswert am mittelalterlichen Rheintor in Linz sind die beeindruckenden Hochwassermarken an der Außenfassade. Die Wände im Innenraum sind bis auf eine Höhe von ca. 2 Metern gekachelt.
Fünf weiße Regenschirme schweben um 90 Grad gekippt in unterschiedlicher Höhe scheinbar schwerelos in dem abgedunkelten Raum und rotieren unabhängig voneinander in langsamen Drehbewegungen um ihre eigene Achse. Eine der weißen Schutzflächen dient als Projektionsebene für das gebeamte Videobild.
In unregelmäßigen Abständen wird live ein Gedicht von Wilhelm Müller (1794 – 1827) rezitiert:
Tränenregen Wir saßen so traulich beisammen Im kühlen Erlendach, Wir schauten so traulich zusammen Hinab in den rieselnden Bach. Der Mond war auch gekommen, Die Sternlein hinterdrein, Und schauten so traulich zusammen In den silbernen Spiegel hinein. Ich sah nach keinem Monde, Nach keinem Sternenschein, Ich schaute nach ihrem Bilde, Nach ihren Augen allein. Und sahe sie nicken und blicken Herauf aus dem seligen Bach, Die Blümlein am Ufer, die blauen, Sie nickten und blickten ihr nach. Und in den Bach versunken Der ganze Himmel schien Und wollte mich mit hinunter In seine Tiefe ziehn. Und über den Wolken und Sternen, Da rieselte munter der Bach Und rief mit Singen und Klingen: Geselle, Geselle, mir nach! Da gingen die Augen mir über, Da ward es im Spiegel so kraus; Sie sprach: Es kommt ein Regen, Ade, ich geh nach Haus.
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Wasserkur von Katja Butt und Heidrun Grote
Rheintor, Linz – Anno Domini 2011, Edition Das Labor 2011. – Limitierte und handsignierte Auflage von 100 Exemplaren. – Dem Exemplar 1 – 50 liegt ein Holzschnitt von Haimo Hieronymus bei.
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