sie verschiebt den abwasch
sagt sie müsse
einen größeren haushalt führen
paar kränze ablegen
zum kaffee
sei sie wieder zurück
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Dürfen Kanzlerinnen gelegentlich ausschlafen, gar einen ganzen Feiertag zur Regeneration nutzen? Freut sich Frau Merkel am 3. Oktober (ebenso wie ich) über einen dienst- und pflichtfreien Tag, an dem Privatleben möglich ist? Wahrscheinlich nicht. Hat die politische Tagesordnung wenigstens einige Programmpunkte weniger für Frau Merkel vorgesehen und ihr Dienst am Volk darf später beginnen? Kann es Normalität im Leben einer Bundeskanzlerin geben? Vielleicht sitzt sie am Morgen des 3. Oktober zusammen mit ihrem Ehemann am Frühstückstisch, schmiert zunächst deutsche Markenbutter, dann Aprikosenkonfitüre auf eine Scheibe Weizenmischbrot und beißt danach lustvoll eine Lücke in der Hufeisenform ihrer Zahnreihen in diese hinein. Ihr Mobiltelefon liegt in Griffnähe, doch es signalisiert keinen Anruf. Welche Themen wird Frau Merkel mit ihrem Ehemann besprechen? Sind beide schon morgens von dienstbaren Geistern umgeben, die alltägliche Tätigkeiten, wie den Lebensmitteleinkauf, erledigen? Oder sind sie allein und in eine demokratische Debatte darüber vertieft, wer die Spülmaschine einräumt? Angela wird sicher Termine haben. An Nationalfeiertagen gibt es schließlich immer irgendwo einen Kranz abzulegen. Mag sein, dass auch etwas Arbeit im Bundeshaushalt wartet. Eilig steht sie auf, beißt noch einmal ins Aprikosenkonfitürebrot, trägt Teller und Tasse zur Küchenspüle, nimmt das Telefon vom Tisch und versenkt es in der unauslotbaren Tiefe ihrer Damenhandtasche. Dann drückt sie Joachim einen Abschiedskuss auf die Wange: „Bis nachher, Schatz. Zum Kaffee bin ich wieder zurück.“
KUNO widmet dem Gedicht auch in diesem Jahr den genauen Blick, das aufmerksame, geduldige, ins Denken gedrehte Lesen und Wiederlesen, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.