Einer chinesischen Legende nach gelten Kraniche als Unsterblichkeitssymbole, ihnen wird eine Lebensdauer von mindestens 1000 Jahren nachgesagt. ‘Auf dem Kranich reiten’ bedeutet auf Mandarin: In die Ewigkeit eingehen. Das graue Haar der Greise bezeichnet man in China als Kranichhaar.
Nach altem japanischen Glauben sollte ein Mensch den Tod vertreiben, indem er 1000 Papierkraniche faltet. Viele der Japaner, die durch die Atombombenabwürfe verstrahlt wurden, und manche der erbgeschädigten Kinder und Enkel haben solche Kraniche gefaltet. Durch die Reaktorkatastrophe in Fukushima wird dies jetzt wieder aktuell.
Aelian berichtete, wollten die Kraniche aus Thrakien nach Ägypten ziehen, so gehe der älteste dreimal um die ganze Schar herum, sinke dann nieder und stürbe. Die Übrigen begrüben ihn und zogen danach, ohne zu rasten, geradeaus über das Meer nach Ägypten, wo sie eben zur Zeit der Aussat ankämen und daher Nahrung im Überfluß fänden. Dem Tod des ältesten Kranichs folgt die Auferstehung der wieder jungen und fruchtbaren Natur.
Hesiod, Pindar und Horaz ließen Kraniche zu den jenseitigen ozeanischen Inseln fliegen, wo sie menschliche Gestalt annehmen sollten. Über diese Inseln sagte man, dass dort die Götter Reste vom goldenen Zeitalter aufbewahrt hätten. Daneben sind Kraniche Symbole der Liebe, die Ehe und Treue, insbesondere aufgrund ihrer Balztänze und ihrer Einehe, des Frühlings und der Fruchtbarkeit, der Sonne und der Morgenröte sowie der Kultur, Glück, Hoffnung und Wachsamkeit. Nicht zuletzt gibt es die Legende, dass die Keilformation der Kraniche, deren Flug bis heute als Sinnbild der Flugordnung gilt, zur Erfindung der Buchstaben beigetragen haben.
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Der Kranich fliegt. Arbeiten von Jürgen Diehl, Bernhard Hofer und Peter Meilchen
Rheintor, Linz – Anno Domini 2011, Edition Das Labor 2011. – Limitierte und handsignierte Auflage von 100 Exemplaren. – Dem Exemplar 1 – 50 liegt ein Holzschnitt von Haimo Hieronymus bei.
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