Einer fragmentierten Welt eine neue Struktur durch Denkgitter geben, dieser Aufgabe stellt sich die Künstlerin Denise Steger. Die Flut der Bilder, die das Internetzeitalter bestimmt: Verkleinerungen und die dem entsprechende Vermehrung optischer Reize sowie die Schnelligkeit der Bildübermittlung – erfordern ein neues Sehen und ein anderes Denken, welches zukünftige Generationen sicher beherrschen werden. Ihre Werke brauchen dieses ‘neue Hinsehen’ als Voraussetzung für das Bildverständnis. Stegers Kunst liegt nicht in der Beschränkung, sondern darin, sich der Vielfalt zu stellen.
Ihr Studium der Kunst–, Literatur und Musikwissenschaften an der Universität Bonn führte die Artistin zur Auseinandersetzung mit Kunstprinzipien des Mittelalters und system–theoretischen Interpretationsansätzen. In ihren künstlerischen Arbeiten entwickelt sie Konzepte, in denen korrespondierende Bild– und Objektsysteme unter thematischen und persönlichen Aspekten ausgewählt und auf vielfältige Weise kombiniert werden. Diese Tätigkeiten erstrecken sich von kleinformatigen Zeichnungen bis zu raumgreifenden Installationen. Die Bildordnung erfolgt im ‘freien Raum’ – bestimmt durch Farbflächen und Liniengerüste. Auf einer Meta–Ebene geht es Steger in ihrer Arbeit um die Frage nach der Prozessualität von Kunst:
Wo entsteht Kunst im Gehirn, welchen Prozess durchlaufen die Artisten, bis sie sichtbar wird?
Wann entsteht die Ideenskizze zu einem Kunstwerk, das irgendwann einmal sichtbar wird?
Ist Sprache gleich Denken oder sind Bilder das nicht auch, wenn wir für unsere Empfindungen keine Sprache haben?
Dies überträgt sich auch in ihr Künstlerbuch. „Jonahan und sein Gebet“ ist ein Dokument für das ausgekühlte, abgeklärt illusionslose Lebensgefühl einer Generation. Cool begegnen sich Menschen darin, gefangen im interessiert–desinteressierten Ichbezug, herrscht oft Berührungslosigkeit. Dieser lyrische Roman balanciert auf der ununterscheidbaren Grenze von wahrer und falscher Lebendigkeit, gutem und schlechtem Symptomen. Diese Literatur ist als eine Art Geigerzähler zu betrachten, die die psychischen Strahlungen in einer endsolidarisierten Gesellschaft registriert. Steger schildert die entleerende Postmoderne, in der sich Anstößiges mit Visionärem vermengt, die Banalität mit der Schwermut. Diese Welt ist bevölkert von Egomanen ohne Ego, von Erotomanen ohne Eros. Dabei beschreibt sie die Lebenswelt am ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert mit einer klinischen Kühle und Sterilität als operiere sie den Patienten am offenen Herzen. Steger konstatiert, daß die Folgen der sogenannten Globalisierung auch im Rheinland angekommen sind, sie beschreibt den Zustand des Verschwindens, das aus der Welt und aus dem eigenen Leben.
Stegers Denkgittern liegen Baugitter zugrunde, deren Stäbe sie teilweise herausbrach, teilweise mit Objekten und Bildern füllte, sie mitten in einen Raum stellt oder hängt. Auf diese Art und Weise ergibt sich ein durchlässiger Bildgrund, der alles, was im Raum geschieht und gesagt wird, sei es Musik, Literatur, Bewegung und natürlich den Raum selbst, in sich aufnimmt und weitergibt. Die Vielfalt der Schöpfung in ihren Systemen und in der Verbindung von Systemen ist ein Beweggrund zur Darstellung. Individualität und Einzeldarstellungen treten zurück gegenüber einer Gesamtschau jenseits der real erfassbaren Welt. Ihre Bilder und Objekte stehen nicht für sich selbst, sondern werden unter thematischen oder auch persönlichen Aspekten in größere Zusammenhänge gestellt.
Werkstattgalerie Der Bogen, Februar 2012