5.15

Das ist gerade der schmale Grat zwischen todmüde und hellwach.

Es wird Tag, eindeutig. Man braucht nicht mehr das Licht einzuschalten, wenn man ins Badezimmer geht und sich nach Stunden der Nachtwache überflüssigerweise, aber pflichtbewusst bettfertig macht.

Könnte eigentlich auch die Morgenwäsche sein, schießt es verwegen durch meinen Kopf. Wie wäre es denn, mal richtig viel vom Tag…— nein, diese fixe Idee wird ganz schnell höhnisch verworfen.

Alles blaugrau um diese Stunde, die Fliesen, meine Haut, der verhangene Himmel. Helle dicke Wolkenlagen. Dahinter die dunklen Waldzüge, leicht hügelig. Vielleicht mag ich deswegen das platte Land so gern, weil mein Leben lang der Blick aus dem Badezimmerfenster irgendwann von Bäumen begrenzt wurde.

Die Straße ist noch leer. Ungemütlich, diese orangefarbene Beleuchtung. Wie aus einem Großstadtkrimi. Warum gibt es hier keine weißen Straßenlaternen, wie überall sonst auch.

Vögel? Ich höre keine. Scheinen noch zu schlafen. Oder ist dieser Sommer zu unwirtlich? Richtig, welcher Sommer. Mitteleuropäischer Standardstoßseufzer.

Der Geruch der neuen Creme gefällt mir nicht. Penetrantes Pseudo-Bio-Zeug.

Hellwach und biologisch duftend lege ich mich ins Bett. Auf das ich mich schon den ganzen Tag und den ganzen Abend und die ganze Nacht gefreut habe. Aber wieder zu faul zum Hinlegen gewesen. Zu unvernünftig. Und jetzt zu munter.

Der Grat ist überschritten, der Morgen da, das schlechte Gewissen schon lange. Keine Stille mehr vor dem Fenster, Autos fahren, zur Arbeit wahrscheinlich, wie es sich für ordentliche Menschen um diese Uhrzeit gehört, zu viel Helle vor dem Fenster, nichts mehr blau, und jetzt fangen auch tatsächlich auch noch ein paar Vögel an zu lärmen.

Warum muss das alles immer in einem solchen Klischee enden.

 

 

 

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Weiterführend → Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie einen Artikel von J.C. Albers.