Gegenwärtig verbindet sich mit dem in deutschen Rahmenplänen verankerten Begriff der „Medienkompetenz“ vor allem die Fähigkeit zur „Medienkritik“. Echte Bildung, das ist vor allem Geschmacksbildung. Durch das Vorführen anspruchsvoller Beispiele und durch die Sensibilisierung der Wahrnehmung anhand von künstlerisch wertvollen Arbeiten bildet sich dauerhaft ein Geschmacksempfinden aus, das die Rezeptionsgewohnheiten von Jugendlichen um einige Dimensionen erweitern kann.
Mit literaturpädagogischen Kursen versucht A.J. Weigoni die fluide Intelligenz abseits von Routinen zu schulen. Es geht ihm in erster Linie um eine Schärfung der Aufmerksamkeit und der Sinne – um eine Anstiftung zur Genauigkeit. Die Umgestaltung der Welt durch Literatur – an dieser revolutionären Lehre hat Weigoni festgehalten. Sie kann nur gelingen, wenn sich alle künstlerischen Sparten in formaler wie inhaltlicher Hinsicht gegenseitig inspirieren und bereichern. Deshalb spricht aus allen Arbeiten Weigonis der Wille zur Einheit einer Kreativität, die alle Bereiche des Lebens ergreift und mit akustischen Mitteln auf die veränderten Konditionen einer industriellen Produktionsweise antwortet. Aus dem suchenden Gedankenspiel eines Navigierens in einem Raum der Möglichkeiten speist sich ein Lernen, das andauernd den Entwurf mit der Reflexion konfrontiert und das zwischen Nachdenklichkeit und Idee agiert. Kopf und Hand gehen eine Vermählung ein, wie es das Lernen nur selten zulässt, weil bekanntermaßen das träge Wissen aus den Büchern meist nicht die nächste Lernkontrolle überdauert.
In den letzten Jahren hat sich eine Hörbuch-Szene etabliert, die mit dem schauspielerischen Potential der Sprecher ebenso zu experimentieren versteht, wie sie auf das Hörspiel alten Schlags innovativ zurückgreift. Gerade diese Liebhaberproduktionen sind es, die Aufmerksamkeit verdienen. Bei der Produktion »Ohryeure« handelt es sich um Hörspiele, die nicht von cleveren Marketingexperten für eine Zielgruppe zurechtgestutzt, sondern mit den Jugendlichen und JungautorInnen gemeinsam erarbeitet und umgesetzt wurden. Diese Arbeiten beinhalten Kriterien, die bisher kaum bei einer Beurteilung miteinbezogen wurden: Was ist der Sound der Zeit?
Ist es bereits absehbar, daß Pop zum bestimmenden Faktor der Cyberkultur wird, die schon dabei ist den bürgerlichen Kulturbegriff abzulösen?
Wie funktionieren Trivialmythen?
Als ein Kunstwerk eigenen Ranges verstärkt das Hörbuch die Reize des Auditiven und Oralen, mit diesem Medium kehrt die Literatur zu ihrem Ursprung zurück. Dies ist eine Gegenbewegung zu einer mit Bildern überreich gesättigten Kultur. Die Mündlichkeit des Erzählens knüpfen an Zeiten an, als dichterische Vorträge noch «mit einer Aufführungspraxis verknüpft waren, die Barden haben ein sediertes Comeback. Der Sound einer Stimmen erzeugt eine Stimmung. Der mündliche Vortrag schafft mit der spezifischen Atmosphäre auch eine Auslegung des Gesagten, eine Interpretationshilfe. Die Stimme ist authentischer als die Schrift und das Hören ursprünglicher als das Lesen. Hörbücher fordern Zu-Hörer im emphatischen Sinn des Wortes: sensibel für stimmliche Nuancen, für Tonfall, Rhythmus, Modulation und Sprache. Ernst und Ironie verbindet sich auf der CD-»Ohryeure« hintergründig spielerisch. Wir, die Spätalphabeten, stehen insgesamt vor der Frage, ob Literatur, dieses Medium der Vorzeit, an der Alphabetisierung der Medienkultur, die nur wirklich beeinflussen kann, wer ihr voraus ist, mitwirken oder sich von letzterer abgrenzen kann. Welche Einflußsphären bleiben der Literatur gegenüber einer Kommunikationslandschaft, die vielfach entweder zum Selbstzweck gerät oder unausgesprochenen Interessen dient?
Diese Frage versucht KUNO mit einem Essay zu beantworten.
Restexemplare von „Ohryeure“ erhältlich über: info@tonstudio-an-der-ruhr.de