Totreden

Man muss sich im so genannten ‚gut sortierten Buchladen‘ genau umsehen, um auf solche Perlen wie Margit Hahns „Totreden“ zu stoßen. Seit Beginn der 1990er-Jahre bereitet die Wienerin den LeserInnen mit ihren bösen Geschichten über die Krone der Erschöpfung Vergnügen. Nachdem Sie in den frühen Büchern die Spielarten des Sex, beziehungsweise sein Nichzustandekommen beschrieb, widmet sie sich nun dem Leben der Angestellten.

Wie in den besten Geschichten Judith Hermanns, etwa der Titelgeschichte von „Sommerhaus, später“, trifft auch Margit Hahn, wenn nicht den Geist der Zeit, dann doch das Bewusstsein ihrer Generation. In „Totreden“ gibt es keine Handlung, keine Hauptfigur, die zur Identifikation einlädt. Von Moral und Parteilichkeit und Volksverbundenheit kann nicht einmal im Ansatz die Rede sein, ganz im Gegenteil: Hier ist das Ungezügelte am Werk, der freie Gedankenstrom, die literarischen Verweisspiele und Binnenräume.

Alle paar Seiten wechselt die Atmosphäre, wechseln die Figuren. Diese Typen werden älter, aber es wird nichts aus ihnen. Ihre soziale Position ist die Schwelle. Keine Aussichten, nirgendwo. Ihre Grundeinstellung zum Leben ist, notgedrungen, kontemplativ. Sie hängen durch, weil man sie hängen lässt. Margit Hahn arbeitet behutsam und präzise wie mit einer Lupe, und so gelingt es ihr, unscheinbare Augenblicke zu seelischen Szenarien zu öffnen. Das Buch handelt nicht nur von den Abgründen der Globalisierung, es ist auch mit einer hingebenden Aufmerksamkeit geschrieben.

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Totreden, Erzählungen von Margit Hahn. Innsbruck: Skarabaeus-Verlag, 2006.