Meine erste Schallplatte · Eine Reise ins Glück von den Lilians

 

Den Anfang suchen. Wo hat die den Anfang? Ich fasse mit den Spitzen meiner Mittelfinger links und rechts die Scheibe an. Schwarzes Vinyl. Heikles Material. Nur am Außenrand nehmen und innen keine Tapper machen, hat Vati gesagt. Ich wiederhole seinen Tonfall.

Die Vorführung der richtigen Handhabung der Schallplatte. Ja, es war eine Vorführung. Die vielen Unterschiede mussten erst theoretisch beackert werden, ehe ich das praktische Feld betreten, also in die Nähe seiner Schätze gehen durfte. Da gab es die Langspielplatten in etlichen unterschiedlich farbigen selbstgezimmerten Regalen, die ein wenig eigenwillig neben den Vollholzmöbeln aus der Jahrhundertwende ihren Platz beanspruchten und die sogenannten Singles, die kleinen, wie ich sie damals nannte. Die waren in praktischen Plastikmappen eingeordnet, manche noch mit buntbedruckten Papierhüllen, manche ohne. Es gab die Scheiben mit kleinem Mittelloch und solche mit atypischem Loch, die einen bestimmten Kreuzeinsatz brauchten ehe sie auf dem Plattenspieler aufgelegt werden konnten.

Auf Augenhöhe schwenke ich den  schwarzen Tonträger. Das Wort lasse ich mir auf der Zunge zergehen. Ich halte ihn dennoch fest. Das Licht vom Fenster läuft in den Rillen. Gleichzeitig. Das macht das Aufspüren des Ausgangspunktes nicht leichter. Wenn etwas ein Ende hat, muss es auch einen Anfang haben.

Umkehrsätze aus der Kinderlogik. Als Jugendliche belächelte ich mich dafür. Bis ich das Unterrichtsfach Philosophie belegte, in der das Umdrehen von Behauptungen der Wahrheitssuche dienlich gewesen ist. Doch welche wirklichkeitsfernen Inhalte wurden da untersucht!

Eigentlich müsste es auch mit Wasser möglich sein. Ein Tropfen, nur ein klitzekleiner. Er könnte seinen Weg für mein Auge auf der Abtastlinie der Nadel finden. So wie die Kugel auf der Holzbahn.

Die kindliche Neugier, später in etlichen Forschungsprojekten sublimiert, ließ sich nach dieser Überlegung nicht lange aufhalten. Das Musikstück konnte zwar nachher nicht mehr ohne Aufheben und erneutes Absetzen des Tonarmes zu Ende gespielt werden. Auch ein gewisses Rauschen war nicht mehr wegzubekommen. Dennoch war die heimliche Untersuchung meiner ersten Platte Eine Reise ins Glück.

 

 

Schellackplatte „Grammophon“, Quelle: Landesmuseum Württemberg.

Weiterführend → 

Meine erste Schallplatte: „Heart of glass“ von Blondie, vorgestellt von Martina Haimerl. Life circles at 33rpm!, postulierte Mischa Kuball. Wer sich hinter „Mister B“ verbirgt, beschreibt Christine Kappe. Ergänzen ein Artikel zum Kassettenuntergrund. »Don Juan« von Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich, vorgestellt von Joachim Feldmann. Eine Reise ins Glück von den Lilians, vorgestellt von Ju Sophie Kerschbaumer. „This charming man“ von den Smiths vorgestellt von Haimo Hieronymus. The Fall – Big New Prince vorgestellt von Enno Stahl. Dschäääzz!!!, gehört von Eva Kurowski. Helge Schneider ist wahrscheinlich der bislang einzige Solo-Künstler, der gleich mit seiner ersten Platte den Titel Seine größten Erfolge gab. Begleitet wurde er bei den Aufnahmen durch Tonmeister Tom Täger im Tonstudio an der Ruhr. Meine ersten drei Platten, vorgestellt von Marcus Baltzer. Meine Musik, vorgestellt von Ulrich Bergmann. Mit etwas Verspätung erschien Pia Lunds zweites Solo-Album Gift. Smile war für A.J. Weigoni ein Versprechen. Eine Generation später wurde es eingelöst. Selbstverständlich auf Vinyl. Und in Mono. Eine Wiederveröffentlichung der Neu!-Studioalben ist auf dem Label Grönland erschienen. in 1999 ging KUNO der Frage Label oder available? nach. Einen Remix zu basteln ist in der Popmusik gang und gebe. Stephan Flommersfeld hat das Selbe mit der “Letternmusik” gemacht. „Wenn es Videoclips gibt, muss auch die Literatur auf die veränderten medialen Verhältnisse reagieren.“, postulierte A.J. Weigoni 1991 und erfand mit Frank Michaelis das Hörbuch. Erweiternd zum Medium der Compact Disc auch der Essay Press/Play.