Strategien für eine erfolgreiche Künstlermessenteilnahme
Die folgenden Vorschläge werden jedem arrivierten Künstlermessenteilnehmer Erfolg garantieren. Sie sind ausdrücklich gemeint als Diskussionsgrundlage für einen allgemeinen und ernsthaften Ratgeber, der demnächst auch in Buchform mindestens fünfsprachig veröffentlicht werden und zukünftig als Grundlagenwerk in jedem Künstlerhaushalt zu finden sein soll.
Ratgeber für Künstlermessen – 49 Regeln zum unabdingbaren Erfolg
- Egal, ob du freischaffend, beamteter Lehrer-/ Professorenkünstler, Pensionär, Hausmann, Erbschaftschleicher oder freischaffender Hartz IV -Künstler bist, besorge dir vor der Anreise ein möglichst auffällig, d.h. künstlerisch abgewetztes Transportmittel, welches möglichst mit deinem Namen oder der Mailadresse verziert ist. Solltest du richtig viel Geld haben, tut es auch ein schickes Cabrio, lasse dir dann aber auf jeden Fall die Bilder von einem Assistenzteam anliefern.
- Der Aufbau der Koje sollte gut vorbereitet sein. Möglichst fertigt sich der gewiefte Fuchs hierzu im Atelier schon das passende Mobiliar an. Ständer für Karten, Kataloge und kleinere Arbeiten sind eine Mindestvoraussetzung, um überhaupt eine ordentliche Präsentation schaffen zu können.
- Um die anderen Künstler einzuschüchtern, solltest du von einem Assistenzteam aufbauen lassen, möglichst unter großen Gesten, Hadern um deren Kompetenz und deinen lauten Anweisungen.
- Ganz wichtig ist eine richtungsweisende Einrichtung, du kannst dich hier entscheiden zwischen einer raumfüllenden Installation, einem puristischen Hängen großer Arbeiten oder einer atmosphärischen Stimmungskoje. Alle anderen Entscheidungen sollten verworfen werden, sie taugen nichts.
- Mache dir die Kunden gefügig, indem du am laufenden Band und umsonst Süßigkeiten oder Kekse in kleinen Schüsseln als Köder auf deinem Stand auslegst, außerdem sollte billiger Rotwein in teuren Karaffen ausgeschenkt werden, das macht Eindruck (Tetrapakwein von einem Billigdiscounter sieht schließlich in einer schönen Karaffe genauso aus, wie ein Bordeaux Superieur).
- Bringe einen runden Tisch mit dunklem Tuch mit, um den eine Reihe von Stühlen gruppiert ist. Hier sollten möglichst schon einige Freunde (siehe Assistenzteam) in intensiver Unterhaltung oder mit einem deiner Kataloge sitzen, das macht den Eindruck, als seiest du wichtig.
- Mehrsprachigkeit ist von Vorteil – oder simuliere den Einsprachigen und lasse alles von der angestellten hübschen Assistentin übersetzen, die mindestens drei Sprachen beherrscht. Spreche dann allerdings selber ein undefinierbares Kauderwelsch und lasse behaupten, dies sei ein verfolgter altägyptischer Dialekt, welcher nur noch von 50.000 Menschen in den Hochebenen des Nilquellgebietes gesprochen wird. Das macht interessant.
- Eine Auswahl deiner Arbeiten sollte kleineren Formats, bunt und fertig gerahmt sein. Es ist vorteilhaft, wenn man etwas eindeutig erkennen kann. Wenn du dazu nicht in der Lage bist, dann verwende bitte klare Strukturen und verstärke die Wirkung durch Blattgold oder Farben mit Leuchteffekt.
- Erläutere potentiellen Kunden großspurig und mit wichtiger Miene die Tiefgründigkeit deiner Werke, ganz egal, ob sie nur dekorativ sind oder tatsächlich Inhalt haben. Menschen wollen überzeugt sein, hier mit Sachverstand und kunsthistorischer Weitsicht gekauft zu haben. Man kauft niemals nur ein Bild, sondern auch die Geschichte des bildes, man bezahlt schließlich auch nicht nur für das Gefallen an sich, sondern für das Gefallen an der Aussicht künftiger Wertsteigerung.
- Gestalte möglichst aufwändige Visitenkarten. Du willst doch schließlich in Erinnerung bleiben. Mache dabei niemals den Anfängerfehler diese auf Fehldrucken oder Ausschnitten von Radierungen zu platzieren. Nur treue Kunden bekommen solcherart exquisite Geschenke. Wer schon Originale jedem mit der Visitenkarte verschenkt, hat in den Augen der Messebesucher keine Selbstachtung und will sich kriecherisch anbiedern.
- Lächle immer freundlich, wenn du am Stand sitzt, als wäre es das schönste und spannendste von der Welt, drei Tage träge auf einer Messe zu verbringen. Sollte dir dies schwer fallen, halte dir immer vor Augen, dass du das für dich machst, für dein Portmonee.
- Lege viele Prospekte aus – natürlich über dich und deine Arbeiten. Lasse hierzu vorher die Texte von einigen günstigen Honorarprofessoren verfassen oder setze die Namen von erfundenen Doktoren der Kunstgeschichte darunter, niemand wird das je überprüfen, Titel sind immer gut.
- Mach den Messebesuchern kleine verbindliche Geschenke, wie zum Beispiel Murmeln, erkläre allerdings weitschweifig, was es damit auf sich hat. Dabei bitte niemals ins Esoterische abgleiten, sondern lieber über die Transzendenz der Realität schwafeln.
- Lass dich von einem Kamerateam filmen, damit die Leute merken, wie wichtig du bist. Dieses Team sollte Aufkleber von wichtigen Sendern haben.
- Kleide dich möglichst unauffällig, aber prägnant künstlerisch, damit die Leute merken, wie bedeutend du bist. Lediglich ein Accesoire sollte dabei herausstechen, welches dich typisch macht, z.B. weiße Lederschuhe, dicke Diamantringe, Gehstock mit silbernem Griff usw.
- Arbeite an kleinen Skizzen vor Ort. Lasse dir bei der Arbeit über die Schulter schauen, ohne zu bemerken, dass dem so ist. Die Menschen wollen sehen, dass du dich unendlich in die Kunst vertiefen kannst und dann nichts mehr von deiner Umgebung wahrnimmst. Genie und Wahnsinn gehen in dir die absolute Symbiose ein.
- Gebe dich weltmännisch und prahle gegenüber anderen Künstlern, was du in letzter Zeit für Projekte fertig gestellt hast. Deute dabei an, wie viel du verdienst.
- Lebenslauf aufhängen, zumindest aber auslegen, mit Foto (ruhig in Teilen gefälscht, geschönt oder gepimpt). Es ist immer gut, wenn man mit berühmten anderen Künstlern zusammen gearbeitet hat, auch wenn dem eigentlich nicht so ist.
- Jede kleine Ausstellungsbeteiligung (egal wo) vermerken, trotzdem behaupten, es wäre nur eine Auswahl. Aus jeder Buchhandlung wird eine Galerie, aus jeder Bücherei eine „Städtische Galerie“, aus jedem Trödelmarkt eine Messe. Wenn du noch nie ausgestellt haben solltest, kannst du eigentlich jedes Museum nennen, in welchem du dich jemals aufgehalten hast. Schreibe dann einfach „Ausstellungsprojekte“, oder „Geplante Ausstellungen“.
- Da die Messepreise durchaus happig sind, ist es zu empfehlen, eine Thermoskanne mit Kaffee oder heißem Wasser für Tee mitzubringen, jeder Cent der hier gespart werden kann, wird in die Präsentation deiner Arbeit fließen.
- Sessel und Sofa mitbringen und eine gemütliche Ecke einrichten.
- Bei Verkaufsgesprächen intensives Namedropping betreiben.
- Niemals erstaunt gucken – du bist mit allen Wassern gewaschen und hast Ahnung, und zwar von allem.
- Gestalte deinen Kopf markant, egal wie langweilig du eigentlich aussiehst (Frisur, Schminke, Bart, breitkrempiger Hut) Männer mit wenig Haaren sollten sich möglichst eine Glatze scheren. Männer mit vielen Haaren sollten sich für die Dauer der Messe Extensions anbringen lassen und mit Zopf herumlaufen.
- Den Leuten während der Verkaufsgespräche nur ausgefallene Lebensmittel anbieten. Regel: alter Amsterdamer Bröckelkäse ist besser als Kekse.
- Zeige deinen Nachbarn deinen Erfolg, indem du Leute engagierst, die deine Arbeiten lange Zeit betrachten und sich offensichtlich während der Gespräche von deinem umfassenden Wissen beeindrucken lassen, die dich ganz öffentlich anhimmeln und die bei dir einkaufen.
- Behaupte die Einzigartigkeit deiner Kunst, egal ob 20 weitere Künstler anwesend sind, die genau den gleichen Müll produzieren.
- Egal was du ausstellst, du kannst dich immer auf die Readymades von Duchamp und die Kombinepaintings von Rauschenberg berufen.
- Zitiere in gewissen Abständen auch Philosophie und Weltliteratur, um deine Thesen zu untermauern und die der Anderen zu entkräften.
- Werte gegenüber echten potentiellen Kunden die Künstler der Nachbarschaft als Lehrer ab.
- Behaupte, dass du nur von der Kunst lebst, egal ob nun wirklich Lehrer bist oder von Hartz IV, ob dein Mann das Geld verdient oder du geerbt hast. Es ist völlig gleichgültig, woher das Geld nun tatsächlich kommt, man muss nur sehen, dass du reichlich davon hast.
- Nur deine Meinung ist richtig.
- Zeige den Leuten, dass du ungemein charmant und freundlich, aber auch ungeheuerlich arrogant sein kannst. Nur wer um deine Schwierigkeit weiß, wird es zu schätzen wissen, wenn du mit ihm redest.
- Nichts fällt dir einfacher als Kunst. Inspirationsprobleme kennst du nicht. (Warum auch, man muss ja nur ins Internet gehen und schon liegen dir tausende von Ideen zu Füßen.)
- Alle, wirklich alle Techniken und Materialien sind dir bekannt. Alle.
- Du bist eine Koryphäe in jeder Hinsicht, vor allem was Kunst angeht, aber auch der Naturwissenschaft, schließlich hast das Ideal des universal gebildeten Künstlers nicht nur verinnerlicht, sondern entsprichst diesem. Sogar die Mikrobiologie der Schleimpilze interessiert dich. Zeige dies; wenn du etwas nicht weißt, dann behaupte etwas, das dir plausibel erscheint und führe an, es seien die neusten Forschungsergebnisse. Als Beleg sollten Verweise auf „Bild der Wissenschaft“ und die Sendung „Aus Forschung und Technik“ im Deutschlandfunk dienen können.
- Führe laute Gespräche, die alle anderen mitbekommen und möglichst die Nachbarschaft enervieren, lache laut.
- Wenn deine zahlreichen (angemieteten) Freunde gehen, dann mach ein großes Verabschiedungszeremoniell daraus. Dies untermauert deine unbedingte Beliebtheit bei allen Menschen, welche dich kennen. Dabei sollten Umarmungen und die obligatorischen Küsschen auf Wangen und Mund nicht zu kurz kommen. Es kommt dann auch immer gut, wenn sich die verabschiedeten Damen einige Tränen nicht verkneifen können.
- Verstricke deine potentiellen Kunden in möglichst lange Gespräche, damit es so aussieht, als wäre immer Betrieb an deinem Stand. Auch zufällig vorbei flanierende Menschen solltest du auf jeden Fall ansprechen und versuchen, mit ihnen ein Gespräch aufzubauen. Nur dort, wo schon Besucher gucken, kommen weitere Seher hinzu.
- Biete einen besonderen (einmaligen) Messepreis für einige ausgewählte Arbeiten an. Es sollte sich allerdings um eine sehr beschränkte Anzahl handeln. Sind diese verkauft, dann setze auch die restlichen Arbeiten auf Messeangebotspreis.
- Wenn du vor der Halle rauchst, solltest du auf jeden Fall eine Zigarettenspitze verwenden oder aber den Glimmstängel mit einer Haarklammer halten, damit die Hand nicht stinkt.
- Du musst um jeden Preis mehr auffallen als deine Nachbarn. Man kann immer noch einen draufsetzen.
- Bevor du über Werke anderer Künstler sprichst, betrachte sie unter Stirnrunzeln erst lange. Gelegentlich dabei den Kopf verständnislos schütteln oder hämisch herablassend grinsen.
- Benutze gegenüber anderen Künstlern grundsätzlich immer Begriffe, die zweideutig zu verstehen sind und die diese verunsichern.
- Fachsimpel mit deinen Nachbarn – von oben herab.
- Komme zu den Öffnungszeiten immer mindestens 30 Minuten zu spät, kommentiere den Hinweis darauf, dass schon Besucher gefragt haben, achselzuckend. Du weißt schließlich, dass solche Leute wieder bei dir landen werden.
- Verlasse jeden Tag die Messe um einiges früher, als deine Nachbarn. Dabei solltest du zufrieden lächeln, denn du hattest ja Erfolg.
- Wenn du Kopfschmerzen hast, weil du aus Frust mal wieder bei zu viel miserablem Wein versackt bist, mach den Leuten klar, dass es sich um ein chronisches Leiden handelt (nicht dein Alkoholismus, sondern die Schmerzen).
- Wenn es trotz aller dieser Empfehlungen dann doch zu langweilig wird, schreibe eine eigene Liste mit Regeln.
Anmerkung des Herausgebers: Die Ausarbeitung stammt von Stephanie Neuhaus und Haimo Hieronymus.