Beim Stöbern nach guten Holzschnitten kann man eventuell auf die des 1930 verstorbenen Künstlers Wilhelm Laage stoßen. Manchmal werden sie auch bei Internetauktionen angeboten. Dieser Tage findet sich dort ein im doppelten Sinne traumhaftes Frauenportrait, welches stark an die Grafiken Munchs erinnert. Es stammt aus dem Jahre 1913 und verbindet stilistisch die kantig-graphischen Qualitäten des Expressionismus mit den fließenden Formgebungen des Jugendstils. Träumt die Frau? Leidet sie an etwas? Sie hat ihre Augen geschlossen und das Gesicht unverwandt dem Betrachter zugewandt.
Individuelle Allgeingültigkeit
Dies scheint ein individuelles Portrait einer jungen Frau zu sein, die ihr Innerstes im Äußeren preisgibt und doch wirkt das Bild einer allgemeingültigen Metapher für die Jugend ähnlich. „Der Holzschnitt muß seinen ganz selbständigen Charakter haben, der in seinem Schnitt liegt und deshalb in keiner anderen Technik ausgedrückt werden kann. Der Schnitt ist es, worin seine ganze Seele lodert.“ schreibt Laage 1917 über seine Holzschnitte. Er erkennt früh, welche Ausdrucksmöglichkeiten in dieser Technik für seine Arbeit liegen, beginnt mit der japanischen Technik, findet jedoch nach und nach zu eigenen Möglichkeiten.
Neue Möglichkeiten durch Fundstücke
In seinen Aufzeichnungen findet sich wenig später eine Beschreibung des Herangehens, die besonders eindrucksvoll ist, denn hier werden nicht mehr Holzblöcke speziell für den Druckstock angefertigt, sondern gefundene Hölzer bilden die Grundlage. Diese Entwicklung wird exemplarisch aufgezeigt. „Besonderen Wert lege ich darauf, für jeden geplanten Holzschnitt das rechte Holz zu wählen. Für die Farb- und Tonplatten benutze ich gern ein Stück Holz, dessen Struktur im Charakter zu den darzustellenden Farbflächen paßt. Ich habe wohl fast alle Holzarten probiert, von den härtesten bis zu den weichsten. Je reizvoller die Struktur des Holzes beim Drucken zum Vorschein kommt, je luftiger der Druck, desto lieber ist er mir; deshalb ist mir auch die tote Fläche des Linoleums unsympathisch. In unserer Waschküche in Betzingen stand lange Zeit eine alte, verwaschene Türfüllung, die von den Wäscherinnen benutzt wurde. Sie kam mir eines Tages unter die Augen und ich beschäftigte mich innerlich lange damit, wie ich diese interessante Platte meinem Holzschnitt dienstbar machen könnte. Besonders reizte mich die eigenartige, ausgesprochene Maserung der Füllung, die von unten aufsteigend in mächtigen, breiten, schön bewegten Linien nach oben sanft verlief und dann fast ganz in der weichen Fläche verschwand. In diese Füllung, so wie sie war, schnitt ich mein Blatt »Mann und Weib«. Im Jahre 1913 versuchte ich meinen ersten Bildnisholzschnitt »Junges Mädchen«. Die ganze Schönheit des Schnittes sollte darin zur Geltung kommen und mitwirken zur Belebung der Gestalt und ihrer Seele. Ich wählte dazu zum erstenmal die schwarze Platte, d.h., ich schwärzte sie ein, bevor ich mit der Arbeit begann. Aus diesem Chaos, aus dem Dunkel heraus entwickelte ich nun meine Arbeit, um die ganze Schönheit des Schnittes gleich klar vor Augen zu haben und durch den Schnitt auch die Seele meiner Mädchengestalt zu bilden; denn es galt für mich hier nicht, eine vorher auf den Stock übertragene saubere Zeichnung auszuschneiden. Das weiche Ineinanderfließen von Brust und Schultern, die ganze Haltung der Gestalt schien mir gelungen.“ (aufzeichnungen 1917)
Bindeglied der Stile
Wilhelm Laage gehört leider zu den weniger beachteten Künstlern des Brücke – Umfeldes. Wer seine Grafiken jedoch entdeckt, wird feststellen, dass er ein wichtiges Bindeglied der Stile um die Jahrhundertwende vom 19. Zum 20. Jahrhundert war. Es lohnt sich, diese Kunst zu entdecken.
Wilhelm Laage 16.05.1868 Stellingen, + 03.01.1930 Ulm
Das Druck-Logo Wilhelm Laages