Die Dolomiten will er endlich einmal wieder sehen, will die Berge spüren, jenem unbeschreiblichen Ruf nachkommen, von dem die Menschen seit Urzeiten sprechen. Sehnsuchtsmotiv. Es ist eine eigentümliche Mischung aus dünner, duftiger Luft, aus dem steten Übergang zwischen den verschiedenen Vegetationszonen, den Steinen und dem eigenen Klang. Er weiß gar nicht, wie er das in Worte fassen könnte und beginnt einen langen und umständlichen Text, Brief wohl. Herr Nipp ist müde von der langen Fahrt. Hatte sich auf das Navigationsprogramm eines mitgeführten Mobiltelefons verlassen und wurde von diesem auch verlassen. In die Irre geführt. Einige Abfahrten wohl verpasst und drei Stunden länger gebraucht. Wer will schon durch die bayrische Dorflandschaft geführt werden, bei plästerndem Regen? Am nächsten Tag sieht er die wahren Berge, zerreißt den Brief und weiß, dass in seinem Zimmer schon der berühmte Reinhold geschlafen hat – Promibonus.
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Unerhörte Möglichkeiten, Edition Das Labor 2012
Dieser short-short ist Teil der Reihe, die KUNO anläßlich der 10-jährigen Erscheinens der Kurznovellen Unerhörte Möglichkeiten präsentiert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts muß man keinen Falken mehr verzehren, um novellistisch tätig zu sein. Dank des Kurznachrichtendienstes Twitter ist Mikroblogging eine auflebende Form. Herr Nipp dampft die Gattung der Novelle zu Twitteratur ein. Der Band mit den Kurznovellen ist kein Künstlerbuch. Was aber, wenn plötzlich Originalholzschnitte auf dem Deckblatt zu finden, die Ameisengleich über das Titelblatt krabbeln?
Und außerdem präsentiert Haimo Hieronymus als bibliophile Kostbarkeit: Über Heblichkeiten, Floskeln und andere Ausrutscher aus den Notizbüchern des Herrn Nipp.
Weiterführend →
Zum Thema Künstlerbucher lesen finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.
Die bibliophilen Kostbarkeiten sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421